Wie gewonnen, so zerronnen: Noch vor wenigen
Tagen bewegte sich der Euro in Sphären jenseits der 1,34 Dollar. Am
Freitag ist er hingegen fast bis auf 1,29 Dollar gerutscht, was ein
Viermonatstief gegenüber der amerikanischen Währung darstellt. Der
damit zu beobachtende, recht rasant verlaufene Wertverlust der
Gemeinschaftswährung weckt Sorgen, dass sich mit ihm ein erneutes
krisenhaftes Abstürzen des Euro ankündigt, zumal es in der neuen
Woche hinsichtlich der Schuldenkrise der Peripherieländer der
Europäischen Union (EU) wieder spannend wird. Es versucht sich
nämlich am Mittwoch Portugal mit seinem ersten Bondmarktauftritt im
neuen Jahr. Sollte dieser scheitern – worauf die aktuellen Reaktionen
an den Märkten bereits hinweisen könnten -, würde die Krise ohne
Zweifel einem neuen Siedepunkt entgegenstreben. Viele Akteure
scheinen diese bösen Vorahnungen zu haben: Mit Blick auf die kommende
Woche, in der es am europäischen Bondmarkt relativ viel neues
Material von staatlichen Emittenten geben wird, trennten sich am
Freitag viele Investoren von Titeln der EU-Peripherie. Hinzu kommt
die ungünstige charttechnische Perspektive. Mit Unterschreiten der
Marke von 1,30 Dollar ist nach Ansicht von Analysten der Weg frei bis
auf fast 1,25 Dollar.
Am Tropf der Fed
Nun ist allerdings die Schwäche des Euro immer auch eine Stärke
des Dollar: Die Anleger feiern in diesem Fall die konjunkturellen
Perspektiven der USA, die besser aussehen als noch vor kurzem
gedacht. So hatte der Arbeitsmarktbericht des privaten
Datendienstleisters ADP für den Dezember am Mittwoch von einem sehr
ordentlichen Zuwachs der Beschäftigung berichtet. Damit, so hoffen
die Anleger zumindest, scheint sich abzuzeichnen, dass die
US-Konjunktur auf eigenen Beinen steht und nicht nur am Tropf einer
ultraexpansiv agierenden Federal Reserve hängt. Der offizielle
Bericht, der dann am Freitag veröffentlicht wurde, sah zwar weitaus
weniger freundlich aus, da nur 103000 zusätzliche Jobs statt der
erhofften 150000 bis 175000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Dies
störte die Marktteilnehmer aber wenig, und die Verluste des Euro
setzten sich munter fort.
Ignoriert wurde auch eine andere äußerst interessante Entwicklung,
die eigentlich den Kurs des Währungspaares Euro/Dollar deutlich
beeinflussen sollte: Der amerikanische Finanzminister Timothy
Geithner hat die Abgeordneten des von den oppositionellen
Republikanern dominierten Repräsentantenhauses gewarnt, dass, wenn
sie eine Anhebung der Obergrenze für die US-Staatsverschuldung
verweigern, nichts weniger als der Staatsbankrott droht. Zwar handelt
es sich bei den Äußerungen Geithners nur um eine taktische Bemerkung
im Rahmen der Auseinandersetzung von Regierung und Opposition um den
US-Bundeshaushalt. Und derzeit haben auch die Republikaner kein
Interesse daran, die Konfrontation mit der Obama-Administration auf
die Spitze zu treiben.
Vertrauen erschüttert
Dennoch kann schon die Perspektive einer Zahlungsunfähigkeit
Washingtons – auch wenn sie nur eine kurze Zeit währen würde – das
Vertrauen in amerikanische Staatspapiere erschüttern. Schließlich ist
vielen Beobachtern die durch den festgefahrenen Konflikt zwischen
Demokraten und Republikanern verursachte prekäre Situation der
Staatsfinanzen Kaliforniens in guter Erinnerung. Angesichts der
aktuell sehr hohen Kursniveaus auch von amerikanischen Staatsanleihen
könnte ein solcher Vertrauensverlust einen Crash am Bondmarkt
auslösen. In einem solchen Szenario wären dann auf einmal japanische
Staatsanleihen und Titel aus den europäischen Kernländern der sichere
Hafen der Anleger – und nicht mehr Treasuries und der Dollar.
Es sieht also so aus, dass sich die Verluste des Euro nicht zu
einem Absturz der Gemeinschaftswährung ausweiten. Dafür spricht
jedenfalls, dass aus fundamentaler Sicht auch beim Dollar einiges im
Argen liegt. Dies gilt freilich nur für den Fall, dass sich die
EU-Schuldenkrise nicht doch noch unerwartet zuspitzt – etwa durch ein
Scheitern der Bondauktion Portugals, das auch für dieses Land die
rasche Hilfe der anderen EU-Länder notwendig machen würde.
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