Auf einmal ging alles ganz schnell. Jahrelang 
haben Europas Regierungen hart um die Neufassung der 
EU-Marktrichtlinie gerungen. Immerhin geht es ja um sehr viel. Um den
Wettbewerb zwischen Börsen und Banken samt Plattformen und 
Netzwerken. Um die Konkurrenz zwischen großen Finanzplätzen und um 
die Zukunftsfähigkeit einzelner Geschäftsmodelle, wie etwa der 
vertikalen Wertschöpfung. Und ganz generell darum, wie der Handel mit
Wertpapieren künftig funktioniert, etwa um die Aussichten des 
Hochfrequenzhandels oder auch des Warenterminhandels.
   Nun auf einmal melden die Iren „Durchbruch“ – und scheinen selbst 
ein wenig überrascht zu sein. Auf die Frage, warum eine Verständigung
gerade jetzt gelungen ist, gibt es zwei mögliche Antworten. Erstens 
ist in Brüssel gerade so etwas wie Torschlusspanik zu beobachten. In 
zwei Wochen geben die Iren den Ratsvorsitz an die Litauer weiter. Die
haben beschränkte Kapazitäten, Kompromisse zu schmieden – und gewiss 
keine Vorliebe für Finanzmarktthemen. Schließlich ist der Finanzplatz
– die „City“ – in Vilnius überschaubar. Danach kommen die Griechen 
dran – und wenn die von zentralen Gegenparteien reden, haben sie 
wahrscheinlich Türken oder Deutsche vor Augen, aber kaum 
Clearinghäuser. Kurzum: Was im Juni im Rat nicht mehr gelöst wird, 
könnte lange ungelöst bleiben.
   Antwort zwei hat mit der eingeübten Strategie für europäische 
Kompromisse zu tun: Kuhhandel. Die Deutschen kriegen Zugeständnisse 
bei möglichen Ausnahmen vom Clearing-Zugang. Dafür halten die Briten 
die Tür dafür geöffnet, dass das Handelsformat OTF den Aktienhandel 
einschließen kann.
   Ob Mifid II funktionieren wird, um den Handel an Kapitalmärkten 
tatsächlich widerstandsfähiger und transparenter zu machen, können 
derzeit nicht einmal Experten voraussagen. Erstens, weil noch 
abgewartet werden muss, was das EU-Parlament korrigieren wird und was
am Ende im Amtsblatt steht.
   Beim Hochfrequenzhandel zeichnen sich zumindest schon Ergebnisse 
ab: Zum Beispiel, dass die Mindesthaltefristen von 500 Millisekunden 
wohl nicht kommen werden. Auch bei der Beschränkung der Spekulation 
mit Rohstoffen ist absehbar, wohin die Reise geht. In der Frage der 
Infrastrukturen – insbesondere bei Clearing-Zugang und OTF – sind 
Prognosen indes schwierig. Zumal bei diesen Themen die 
einflussreichen organisierten Interessen der Finanzbranche versuchen 
werden, diejenige Kuh, die aus ihrer Sicht nicht dort hingehört, doch
noch vom Eis zu kriegen.
(Börsen-Zeitung, 18.6.2013)
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