Dass die britische Regierung eine genaue
Vorstellung davon hätte, wie sie mit ihrer unfreiwillig erworbenen
Mehrheitsbeteiligung an der größten Krisenbank des Landes, der Royal
Bank of Scotland (RBS), umgehen sollte, lässt sich nicht behaupten.
Gut vier Jahre nach der Rettung mit Kapitalhilfen von 45 Mrd. Pfund
steht weder fest, wie der angestrebte Rückzug als Aktionär aussehen
wird noch wann er starten geschweige denn abgeschlossen sein soll.
Es deutet sich an, dass die vollständige Reprivatisierung noch
mehrere Jahre – länger als 2009 gedacht – auf sich warten lassen
wird. Darauf ließ bislang schon der Aktienkurs schließen, der noch um
fast 40% unterhalb des durchschnittlichen Einstandspreises der
Regierungsbeteiligung liegt. Darauf lässt inzwischen aber auch die
Rücktrittsankündigung des seit gut vier Jahren amtierenden
Vorstandschefs Stephen Hester schließen.
Der 52-Jährige, der für die Entschärfung der „Zeitbombe“ RBS
zuständig war und ist, soll nun gehen, obwohl ihn auch der
Finanzminister jetzt noch einmal für seine Verdienste um die Erholung
der Bank vom Beinahe-Kollaps lobte. Weder konnte einer der
zahlreichen aufgeflogenen Skandale am Londoner Finanzplatz Hester
etwas anhaben, noch ließ dieser zuletzt Amtsmüdigkeit erkennen. Der
Verwaltungsrat wollte den weiteren Weg dennoch nicht mehr mit ihm
gehen. Warum? Möglicherweise nicht nur, um, wie jetzt vom
Verwaltungsrat insinuiert wurde, das erwartete lange
Privatisierungsverfahren mit einer frischen Kraft anzugehen. Dass die
Bank alljährlich öffentliche Kritik wegen der Vergütung für Hester
auf sich zog, war ein Ärgernis. Ebenso galt als offenes Geheimnis,
dass der RBS-Chef mit der Regierung in Fragen der Neuausrichtung
nicht immer auf einer Linie lag. Wollte Hester den Kurs nicht
mittragen, den der Schatzkanzler voraussichtlich am kommenden
Mittwoch in einer Rede skizzieren wird?
Was auch immer den Ausschlag gab für das kühle Abservieren
Hesters: Die Entscheidung darf man schon angesichts des absehbar
kleinen Kreises an Kandidaten, die sich auf eine auf Wahltermine
ausgerichtete Regierung als Großaktionär einlassen wollen und die die
notwendigen Voraussetzungen für ein anspruchsvolles Verfahren der
Stabilisierung und Reprivatisierung mitbringen, als gewagt und
leichtsinnig werten. Zweifel unter Investoren führten gestern zu
Kursverlusten an der Börse von in der Spitze mehr als 8%. Ohne einen
Nachfolger zu präsentieren, wurde mit der Ablösung Hesters vor allem
eines deutlich: Über einen Masterplan für die Krisenbank RBS verfügt
der Großaktionär nicht.
(Börsen-Zeitung, 14.6.2013)
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