Börsen-Zeitung: Nächster Versuch, Kommentar zur Ergo von Antje Kullrich

Es ist ein dicker Brocken – das neue
Strategieprogramm der Ergo. Hoffnungsträger Markus Rieß kleckert
nicht, sondern klotzt. Die Kosten sollen runter, der digitale
Aufbruch gelingen, die Lebensversicherung neu aufgestellt werden und
nebenbei noch das Auslandsgeschäft expandieren. Der Mann hat sich –
wie erwartet – einiges vorgenommen.

Es ist der dritte oder vierte Versuch, das Kunstprodukt Ergo – den
Zusammenschluss von Victoria, Hamburg-Mannheimer, DKV und D.A.S in
den 90er Jahren – endlich in die Spur zu bringen. Es waren nicht die
untalentiertesten Manager, die an dieser Aufgabe bislang gescheitert
sind. Gerade die IT, in die ein Großteil des jetzt aufgerufenen
Milliardenbudgets hineinfließen soll, hat sich über die Jahre zum
Dauer-Sorgenkind des Konzerns entwickelt. Dazu sorgte die fehlende
einheitliche Unternehmenskultur permanent für Sand im Getriebe.

Doch es gibt einige Argumente dafür, dass die Chancen, den
drittgrößten deutschen Erstversicherer nachhaltig profitabler zu
machen, jetzt größer sind als zuvor. Rieß darf mit dem Budget von 1
Mrd. Euro richtig Geld in die Hand nehmen. Und er hat eine Menge
Erfahrung im Umbau eines großen Konzerns. Außerdem darf er beenden,
was sein Vorgänger angefangen hat, aber auf halber Strecke stehen
geblieben ist: die Ergo zu einer einheitlichen Marke und Organisation
zusammenzuschweißen. Und – es mag ein wenig zynisch klingen – auch
die schwierige Situation der Assekuranz, vorrangig der
Lebensversicherer, spielt Rieß in die Karten. Denn selbst dem letzten
Angestellten eines Versicherungsunternehmens dürfte mittlerweile klar
sein, dass tiefgreifende Veränderungen unerlässlich sind. Der
Widerstand gegen die Rieß–schen Pläne könnte sich also trotz der
happigen Stellenstreichungen in Grenzen halten.

Richtig spannend wird es auf den ausländischen Märkten. Das ist
auch für Rieß, Ex-Chef der Allianz Deutschland, Neuland. Die Ergo
musste in der Vergangenheit immer wieder Geschäfte in einzelnen
Ländern sanieren und muss in Zukunft erst mal zeigen, dass sie das
angestrebte Wachstum profitabel gestalten kann.

In der Lebensversicherung allerdings müssten sich andere, nämlich
die hiesigen eher kleinen Betreiber von Run-off-Plattformen, warm
anziehen, sollte die Ergo ihre IT auf die Kette kriegen und als
Player in den Markt einsteigen. Denn der Konzern bringt Volumen mit
und hat als operativ tätiger Versicherer in anderen Bereichen einen
Ruf zu verlieren. Hier könnte Geschäft winken.

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