Börsen-Zeitung: Nicht anders genug, Kommentar zur Deutschen Bank von Jan Schrader

Welche Kennziffer ist die mieseste der Deutschen
Bank? Die harte Kernkapitalquote? Mit 13,4 Prozent lässt sie wenig
Puffer für den laufenden Umbau, befindet sich aber im Lot. Die
Aufwand-Ertrag-Relation? Mit 112,6 Prozent hat sie im zweiten Quartal
wegen hoher Einmalkosten einen Sprung gemacht, und bereits zuvor war
die Ziffer mit Werten nahe der Marke von 90 Prozent bescheiden. Die
Eigenkapitalrendite? Sie beträgt nach Steuern je nach Rechnung
zwischen 20,6 und 23,7 Prozent, und zwar mit negativem Vorzeichen,
aber rote Zahlen sind die Aktionäre ja schon gewohnt. Die wichtigste
Größe aber kann nur geschätzt, gefühlt, beschrieben, nicht aber
gemessen werden: Vertrauen.

Die Deutsche Bank muss sich ins Zeug legen, um nach etlichen
Kapitalerhöhungen, Strafzahlungen, strategischen Volten und
Vorstandswechsel diese kostbare Größe nicht noch weiter zu belasten.
Ein erster Schritt ist getan: Die Kosten für die gewaltigen
Einschnitte werden nun frühzeitig gebucht. 7,4 Mrd. Euro will der
Konzern bis 2022 aufwenden, annähernd die Hälfte wurde allein im
zweiten Quartal bereits verbucht und damit mehr als vor gerade einmal
zweieinhalb Wochen angekündigt. Das Management zeigt sich
entschlossen. Die Botschaft lautet: Schaut her, wir liefern schneller
als gedacht.

Bislang verfängt die Botschaft nicht. Die Aktionäre reagieren nach
gewohntem Muster und strafen die Aktie ab. Jetzt rächt sich, dass in
den Vorjahren das Vertrauen nach und nach geschliffen wurde. Dabei
erwiesen sich nicht nur Bonikultur, Fusionsverhandlungen, Rechtsfälle
und symbolträchtige Razzien als gravierend. Die Eigner der Bank haben
genau in Erinnerung, wie das Institut ein ums andere Mal Ziele für
Rendite und Kosten erst ausrief und später durch neue Vorgaben
ersetzte. Wäre Vertrauen messbar und in einer Quote darstellbar, wäre
die Ziffer weitaus schlechter als alle anderen Kenngrößen, mögen sie
auch noch so bescheiden sein.

Doch es besteht Hoffnung: Der Radikalschnitt von Konzernchef
Christian Sewing übertrifft die Pläne der Vorjahre bei weitem, die
Bank steht vor einer schmerzhaften, aber potenziell heilsamen Kur.
Die schwachen Erträge im zweiten Quartal, insbesondere in der
Investmentbank, dem größten Sorgenkind im Konzern, zeigen aber, wie
weit der Weg noch ist. Die niedrige Vertrauensquote führt fast schon
zwingend dazu, dass Analysten, Medienschaffende und Aktionäre
ungemein skeptisch auf die Bank blicken: Sewings Plan ist anders, nur
die Bank ist es noch nicht. Anders ist somit nicht anders genug.

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