Börsen-Zeitung: Nichts kapiert, Kommentar zur Diskussion um exzessive Managergehälter, von Sabine Wadewitz.

Das Unverständnis der Öffentlichkeit über
exzessive Managergehälter sollte nach jahrelangen Debatten inzwischen
fest in den Gehirnwindungen von Aufsichtsräten gespeichert sein. Dass
die Bevölkerung, zumal in einer der größten Staatsschulden- und
Konjunkturkrisen, Vergütungen jenseits von 10 Mill. Euro als anstößig
empfindet, dürften sie auch verinnerlicht haben. Doch das Verteilen
geht mancherorts munter weiter – nichts kapiert, wie der jüngste
Aufreger beim Schweizer Pharmakonzern Novartis beweist.

Es ist natürlich unklar, welche Superkarriere ein fast 60-Jähriger
noch einschlagen könnte, doch dass dem langjährigen Firmenchef Daniel
Vasella bis zu 72 Mill. sfr zufließen sollen für Konkurrenzverbot und
Beratungsdienste, ist als „marktgerechte Vergütung“ schwer
nachzuvollziehen. Zumal man fragen muss, warum der hoch dotierte
Manager nicht im Verwaltungsrat bleibt, wenn sein Rat so wertvoll
ist. Die Investoren hatten zudem einen Warnschuss abgegeben, als 2012
auf der Hauptversammlung fast 40% gegen das Vergütungssystem
votierten. Und wenn es stimmt, dass die horrende Entschädigungssumme
bereits 2010 zurückgelegt wurde, ist es mit der Transparenz, die
Novartis in ihrer Corporate Governance selbst so lobt, auch nicht
weit her. Dass nun die Schweizer „Abzocker-Initiative“ Oberwasser
bekommt, kann aber auch nicht befriedigen. Denn das Kaltstellen des
Verwaltungsrats in zentralen Aufgaben zugunsten der Aktionäre birgt
Risiken, wenn man nur an Zufallsmehrheiten auf Hauptversammlungen
denkt.

Auch wenn das Epizentrum jenseits der Alpen liegt, hierzulande
gibt es ebenfalls Wellen. Es ist schon aberwitzig, dass sich wie im
Fall VW der Vorstandschef selbst für ein Gehalt von 17,5 Mill. Euro
entschuldigt und einräumt, ein weiterer Anstieg, der ihm laut Vertrag
zustünde, sei den Menschen nicht zu vermitteln. Dass nun die laut
„Spiegel“-Bericht ausgekungelten 14 Mill. Euro auf mehr Verständnis
stoßen, darf bezweifelt werden.

Wenn sich der VW-Betriebsratschef zudem tatsächlich mit seinem
Plädoyer gegen eine Deckelung der Gehälter durchgesetzt hat, würde
der Konzern auch im neuen Modell gegen einen zentralen Grundsatz
verstoßen, der sich als Comment aus der Gehälterdebatte ergeben hat.
Die Kodex-Kommission hat jüngst noch mal auf eine Obergrenze gepocht.
Auch das Prozedere erinnert an längst vergangen geglaubte Zeiten. Das
VW-Präsidium einigt sich, schafft in Medien Tatsachen, und der Rest
des Aufsichtsrats nickt es eine Woche später ab.

(Börsen-Zeitung, 19.2.2013)

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