Börsen-Zeitung: Notarzt ja, Reha nein, Kommentar zur Staatsschuldenkrise von Detlef Fechtner

Portugal hat sich entschieden, sein
Hilfsprogramm ohne Sicherheitsnetz zu verlassen. Das ist nun wirklich
keine Überraschung. Denn welchen Anreiz hätte die Regierung gehabt,
sich freiwillig erneut den so oft beklagten strikten Vorgaben aus
Brüssel und der in Teilen der Bevölkerung regelrecht verhassten
strengen Kontrolle der Troika zu unterwerfen? Der Beschluss der
portugiesischen Regierung spiegelt insofern eine Schwachstelle des
Euro-Rettungsmanagements wider. Er ist nicht das Ergebnis sachlicher
Einschätzung der eigenen finanzpolitischen Lage, sondern Ausdruck des
sehnlichen Wunsches, möglichst schnell den Klauen der Troika zu
entkommen.

Es ist wie in der Gesundheitspflege: Auf Vorbeugung hat sowieso
kaum jemand Lust. Aber selbst wenn es bereits kneift und schmerzt,
wird oft der Gang zum Mediziner hinausgezögert, bis schließlich der
Notarzt gerufen werden muss. Und wenn der dann mit allerlei
Infusionen den Körper wieder einigermaßen in Schuss gebracht hat,
verlässt der Patient fluchtartig die Klinik, um erneut zu tun und zu
lassen, was er für richtig hält. In der Reha wäre er zwar im Fall
eines Rückschlags behütet, müsste aber noch länger Leute in Weiß um
sich herum ertragen.

Gewiss, Bürgern aus Programmländern wird es wie eine Provokation
vorkommen, wenn ihre souveränen Staaten mit Patienten in einer Klinik
verglichen werden, in der immer die anderen die wirkungsvolleren
Rezepte haben. Allein: Auch wenn nicht raus ist, ob Portugal und
Irland den „clean exit“ problemlos schaffen werden, zumal sie dabei
ja auf anhaltende Risikofreude der Investoren angewiesen sind, zeigen
die Beispiele doch bereits: Die Behandlungsmethode hat grundsätzlich
funktioniert. Man kann hitzig darüber streiten, ob zu schnell gespart
oder zu ehrgeizig reformiert wurde. Aber unzweifelhaft ist, dass
Sparkurs und Reformen erst die Basis dafür geschaffen haben, dass
diese Staaten nun wieder wachsen und überhaupt über einen Exit
nachdenken können – ob clean oder nicht.

Die Euro-Rettungsmanager täten gut daran, an der Strategie der
konditionierten Hilfe – Solidarität gegen Solidität – festzuhalten,
sie aber um eine modifizierte Ausstiegsvariante zu ergänzen. Das wäre
spätestens hilfreich, wenn bald Griechenland ebenfalls auf einen
sauberen Ausstieg pocht. Dann wäre es gut, wenn die Euro-Partner ein
Angebot machen können, das ein Sicherheitsnetz spannt und dennoch der
Regierung einen Teil ihrer finanzpolitischen Souveränität zurückgibt,
ohne sie ganz aus der Aufsicht zu entlassen.

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