Börsen-Zeitung: Notenbanken sollen–s richten, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Am Freitag haben die Akteure an den
Weltfinanzmärkten den Atem angehalten. Was würde Ben Bernanke,
Chairman der US-Zentralbank Federal Reserve, auf dem Treffen der
Notenbanker im amerikanischen Ferienort Jackson Hole wohl mitzuteilen
haben? Wenn man die Aufmerksamkeit berücksichtigt, die das Meeting
auf sich zog, so könnte man meinen, das Treffen wäre nur zu einem
einzigen Zweck eingerichtet worden: zur Rettung der Welt. Die
Ansprüche, so scheint es, waren immens hoch.

Noch vor wenigen Jahren war das Treffen lediglich eine Art
Gedankenaustausch, von dem wenig nach außen drang. Dies hat sich –
vermutlich wenig zur Freude der Teilnehmer – grundlegend geändert.
Dass das Treffen aktuell zu einem Marktereignis globalen Ausmaßes
mutiert ist, hat zwei Gründe: Die Finanzwelt wird von der
Schuldenkrise diesseits und jenseits des Atlantiks erschüttert, die
zumindest zum Teil Ausfluss der Finanzkrise der Jahres 2008/09 ist.
Und die Politiker in Europa und den USA scheitern an der Lösung der
Probleme, sodass die Notenbanken einspringen müssen – auch wenn sie
teilweise, wie die Europäische Zentralbank, eigentlich nur den
Auftrag haben, die Geldentwertung in Schach zu halten. Hinzu kommen
erhebliche konjunkturelle Gefahren, sodass an den Märkten befürchtet
wird, dass die Welt in eine neue Rezession gerät.

In die Bresche springen

Nun geht also darum, dass die Zentralbanken in die Bresche
springen sollen, um die Konjunktur am Laufen zu halten, und darum,
das fehlende Vertrauen in die Politiker irgendwie wettzumachen. Von
Bernanke haben daher nicht wenige Teilnehmer erwartet, dass er
„Quantitative Easing 3“ (QE 3), das nächste gigantische Paket zur
Stützung der Märkte über Bondkäufe und Liquiditätszufuhr ankündigt
oder zumindest einigermaßen konkret in Aussicht stellt.

Dazu ist es natürlich nicht gekommen. Bernanke hat lediglich
mitgeteilt, der über die Geldpolitik befindende Offenmarktausschuss
werde seine Zinssitzung vom 20. September um einen Tag verlängern, um
weitere Optionen zur monetären Stimulierung zu erörtern. Darüber
hinaus zeichnete er ein eher düsteres Bild der Konjunktur, während er
auf der anderen Seite betonte, dass die Inflation in den kommenden
Quartalen bei 2% oder darunter liegen werde. Damit hat er sich die
Optionen offengelassen. Der Fed-Chef wäre wohl auch schlecht beraten
gewesen, wenn er allen vor der Rede geäußerten Ansprüchen
nachgekommen wäre. Denn was die schwache Konjunktur in den USA
betrifft, so gibt es für diese nach Einschätzung vieler Ökonomen
strukturelle Gründe. Gegen die Auswirkungen der vielen
Immobilien-Zwangsvollstreckungen oder auch den hohen Anteil an
schlecht ausgebildeten Arbeitskräften, der zu der hohen
Arbeitslosigkeit beiträgt, lässt sich mit monetären Instrumenten nur
wenig ausrichten.

Außerdem hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich zwar ein
drohender konjunktureller Einbruch manchmal mit geldpolitischer
Stimulation verhindern lässt, dass es aber eine Notenbank viel
schwerer hat, wenn die Konjunktur bereits ausgebremst ist. Insofern
würde wohl im Fall einer aktuellen Ankündigung von „QE 3“ die Gefahr
drohen, dass in den USA eine Diskussion ausbräche, ob die Fed viel
Geld in die Hand nehme, nur um wieder einmal die Banken zu stützen.

Marktteilnehmer besorgt

Hinzu kommt, dass die Marktteilnehmer nicht nur in Europa, sondern
auch in den USA mit Blick auf die Politik sehr besorgt sind. Auch
nach der Einigung zwischen Demokraten und Republikanern im Streit um
den US-Bundeshaushalt bleibt das Grundproblem bestehen: Die
Stabilität der Finanzmärkte wird durch die Unfähigkeit der
politischen Parteien, die Staatsfinanzen durch einen gemeinsamen
gesetzgeberischen Kraftakt langfristig in den Griff zu bekommen,
gefährdet. Und auch hier gilt genau wie in Europa, dass es einer
Notenbank auch mit viel Mitteleinsatz nicht gelingen kann, auf
längere Sicht das fehlende Vertrauen der Märkte in die Fähigkeit der
Politik zur Krisenbewältigung zu ersetzen.

Bernanke hat mit seinen Äußerungen offensichtlich den richtigen
Ton getroffen, die Reaktionen an den Märkten waren jedenfalls
positiv. Der Fed-Chairman beließ den Marktteilnehmern die Hoffnung,
dass es noch zu Unterstützungsmaßnahmen der Fed kommen kann, ohne mit
konkreten Äußerungen Begehrlichkeiten zu wecken. Alle Beteiligten
sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass die Turbulenzen an den
Märkten erst dann dauerhaft nachlassen werden, wenn endlich die
Ursachen der Krise bekämpft werden. An der Bereitschaft dazu mangelt
es auf beiden Seiten des Atlantiks.

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