Können Übergangsjahre erfolgreich bewältigt
werden? Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser und sein Finanzvorstand Ralf
Thomas haben auf der Jahrespressekonferenz in Berlin vorgeführt, wie
es geht. Für jeden Interessenten hatten sie eine gute Nachricht im
Gepäck.
Die interne und externe Öffentlichkeit kann sich darüber freuen,
dass der Konzern alle wesentlichen Prognose-Ziele erreicht hat. Die
Investoren erhalten ihr ersehntes Aktienrückkaufprogramm, das
angesichts der steigenden Verschuldung wahrlich keine
Selbstverständlichkeit ist. Die Beschäftigten dürfen den
Gratis-Aktien entgegenfiebern, weil der entsprechende
400-Mill.-Euro-Pool bereits zur Hälfte gefüllt wurde. Die Stakeholder
mögen ob derlei Präsenten glatt vergessen haben, dass der Umsatz
stagnierte und die operative Ergebnismarge leicht sank – wie es halt
so ist in einem Übergangsjahr.
Friede, Freude, Eierkuchen. Das ist schön für den Moment, aber
gibt kein Momentum. Berlin wird daher aus einem anderen Grund in
Erinnerung bleiben. Kaeser hat das Startsignal dafür gegeben, den
Konzern wieder auf organisches Wachstum zu trimmen. Überraschend
kommt dies natürlich nicht. Schließlich haben die Münchner im
vergangenen Jahr die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie den
Vertrieb um mehr als 10% erhöht. Im laufenden Jahr sollen zentrale
Positionen nochmals um 7% aufgestockt werden. Irgendwann müssen sich
derlei Kraftanstrengungen ja am Markt auszahlen. Aber: Auch wenn die
Überraschung sich in Grenzen hält, so ist die Fortsetzung der
Investitionspolitik doch ambitioniert. Schließlich handelt Siemens
nicht in der Internet-Ökonomie, sondern gehört der wachstumsschwachen
Infrastrukturbranche an. Fast jede zusätzliche Umsatz-Million muss
Wettbewerbern abgeluchst werden.
Der Kurs nötigt also Respekt ab, denn er ist mutig. Dass die
Prognose teils sogar vom Wiedererstarken Chinas abhängig ist, wirkt
fast waghalsig. Aber wie es auch sei: Kaeser dokumentiert, dass er
nach dem abgeschlossenen Kostensenkungsprogramm den Konzern nicht
fantasielos in die nächste Sparrunde treiben wird. Der Vorstandschef
und seine Mannschaft greifen an, gestärkt durch das extrem gut
gefüllte Auftragsbuch.
Aktionäre allerdings haben in bitterer Erinnerung, wie es endete,
als Siemens letztmals unter Kaesers Vorgänger zum Angriff auf die
Konkurrenz blies: mit absurd hohen Kosten für fehlgeschlagene
Projekte. Diese Geschichte darf sich, bei allem notwendigen Mut,
nicht wiederholen.
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