An den Finanzmärkten kommt zurzeit einiges
zusammen: Die Schuldenkrise im Euroraum hält die Verunsicherung der
Investoren hoch, Zweifel an der Kreditwürdigkeit wachsen nun aber
auch in den USA und Japan, nachdem Ratingagenturen den Ausblick für
diese beiden Big Player der Weltwirtschaft gesenkt haben. In großen
Schwellenländern sorgen sich Anleger zugleich um eine Überhitzung der
Konjunktur, während global die Hinweise auf eine wachsende Teuerung
zunehmen. Außerdem signalisieren vielbeachtete Konjunkturindikatoren
wie der ISM-Einkaufsmanagerindex für die Vereinigten Staaten und der
Ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland, dass in den nächsten Monaten
mit einer nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik zu rechnen ist.
Zu allem Überfluss steht nun im Juni in den USA das Ende des
zweiten Programms zum Ankauf von Anleihen („QE2“) an, wenn die
Federal Reserve nicht doch noch völlig überraschend eine Kehrtwende
vollzieht. Es ist unstreitig, dass dieses Ankaufprogramm an den
Finanzmärkten zu einer üppigen Liquiditätsversorgung geführt hat –
ebenso wie bereits das erste Programm („QE1“). Anleger lenkten diese
Mittel vor allem in renditestarke, risikobehaftete Assets wie
Rohstoffe und Aktien, und dies wirft nun natürlich die Frage auf, ob
das Ende der quantitativen Lockerung Aktienkurse und Rohstoffpreise
belastet und wie es um US-Staatsanleihen bestellt ist.
Um diese Fragen zu beantworten, ist erst einmal festzustellen,
dass QE2 zwar endet, die Notenbank aber frei werdende Mittel aus
Bond-Investments direkt neu investieren will. Am Markt besteht daher
die Zuversicht, dass die von den Vereinigten Staaten offerierten
Anleihen auch in Zukunft auf eine ausreichende Nachfrage treffen
werden, es sei denn, internationale Investoren würden ihre Quoten
spürbar absenken. Davon geht zurzeit aber kaum jemand aus. Die
Rendite der US-Papiere dürfte sich also stabil weiterentwickeln.
Zehnjährige Titel schwankten zuletzt um 3,5%, fünfjährige hielten
sich oberhalb von 2%.
Die Geldpolitik in den USA wird folglich sehr expansiv bleiben,
solange die Federal Reserve nicht von den Reinvestments abrückt. Sie
wird damit die Wirtschaft weiterhin stimulieren und die Perspektive
einer anhaltenden konjunkturellen Erholung untermauern. Eben darin
liegt aber der Unterschied zum Sommer 2009, als das erste
Ankaufprogramm der Währungshüter endete. Unter Analysten wächst daher
die Überzeugung, dass die Entscheidung der Federal Reserve zumindest
auf die Aktienmärkte der Industrieländer keinen wesentlichen Einfluss
nehmen wird.
Ein Blick auf den Kursverlauf vielbeachteter Aktienindizes wie des
Stoxx600 belegt in der Tat, dass die Notierungen nach dem Start des
ersten Aufkaufprogramms kräftig vorrückten, während sie sich im Zuge
des Nachfolgeprogramms nur noch leicht verbesserten. Dies legt den
Schluss nahe, dass Investoren damals mit ihren Aktien-Investments vor
allem darauf reagierten, dass die Frühindikatoren anzogen und
konjunkturelles Wachstum anzeigten; bei Auflage von QE2 wuchsen
hingegen bereits die Zweifel, ob die Frühindikatoren nicht schon den
Gipfel erreicht haben und die konjunkturelle Dynamik abnehmen wird.
Für Europas Aktienmärkte dürften sich die vom positiven Gewinntrend
bei den Unternehmen und einer attraktiven Bewertung getragenen guten
Perspektiven also nicht eintrüben, wenn QE2 endet.
In den USA deutet derweil die extrem defensive Positionierung
großer internationaler Investoren an, dass negative Neuigkeiten schon
ausreichend eingepreist worden sind: Nach einer Analyse der HSBC
hatten Anleger US-Aktien im April so stark untergewichtet wie während
der zurückliegenden fünf Jahre nicht. Bei einer weiteren
Stabilisierung der US-Wirtschaft dürften amerikanische Aktien also
wieder mehr Investoren locken – mit entsprechend positivem Effekt auf
die Kursentwicklung.
Mit Blick auf die Aktienmärkte der Schwellenländer müssen sich
Anleger allein wegen des auslaufenden Fed-Programms ebenfalls nicht
sorgen: Dort gaben die Kurse zuletzt bereits nach – trotz der enorm
hohen Liquidität. Akteure stellen das in Zusammenhang mit der
strafferen Geldpolitik etwa in China und Brasilien. Zumindest für
diese beiden Länder zeigen sich Analysten deshalb auch weiterhin
skeptisch – ob mit oder ohne QE2.
Die größten Fragezeichen stehen daher hinter der zu erwartenden
Performance der Rohstoffpreise. Angesichts der jüngsten Korrektur der
Preise dürfte der Markt aber bereits vieles gesehen haben – zumal die
Nachfrage aus den stark wachsenden Emerging Markets hoch bleibt und
Rohstoffe auch Schutz gegen Inflation bieten. Das Fazit lautet daher:
nur keine Panik!
(Börsen-Zeitung, 28.5.2011)
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