Eines muss man US-Präsident Barack Obama lassen:
Er kommt zur Sache und schenkt den Wählern reinen Wein ein. Statt im
Kongress die große politische Bühne für Propaganda zu nutzen, zog er
eine nüchterne Bilanz und skizzierte eine ehrgeizige
wirtschaftspolitische Agenda, die zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
führen und Amerikas Konkurrenzfähigkeit verbessern soll. Ohne
umfangreiche Investitionen in Infrastruktur, Informationstechnologie
und Bildung werde die Nation sowohl gegenüber Europa als auch den
aufstrebenden asiatischen Schwellenländern weiter ins Hintertreffen
geraten. Der zweite „Sputnik-Moment“ in Amerikas Geschichte müsse
konsequent genutzt werden, um wieder an die Spitze zu gelangen. Das
sind hochgesteckte, schwer erfüllbare Ziele. Zum einen, weil es am
Geld fehlt und zum anderen, weil die wiedererstarkte republikanische
Opposition signalisiert hat, dass sie alles daran setzen wird, um
jedes Projekt aus der Feder des Präsidenten zu begraben.
Dass die Rede zur Lage der Nation nicht etwa der Terrorbekämpfung
oder außenpolitischen Themen gewidmet war, sondern sich fast nur um
die Wirtschaft drehte, liegt nahe. Obwohl die USA mittlerweile eine
höhere Wachstumsrate verzeichnen als die meisten Industrienationen,
liegt die Arbeitslosenquote nach wie vor deutlich über 9%. Mehr als
15 Millionen Amerikaner verloren seit Beginn der Rezession ihren Job.
Ohne ihnen Hoffnung zu machen, hat Obama kaum Chancen, 2012 für eine
zweite Amtszeit bestätigt zu werden. Die Investitionen sollen auch
dazu führen, die Exporte innerhalb von drei Jahren zu verdoppeln. Ein
utopisch anmutendes Ziel, das Obama an derselben Stelle bereits vor
einem Jahr ausgegeben hatte – von dem die USA aber noch meilenweit
entfernt sind.
Ein zentraler Aspekt kam in der Ansprache indes klar zu kurz: die
Finanzierungsfrage. Auch 2011 wird die Defizitquote wieder über 9%
liegen, und die Staatsverschuldung steigt auf über 100% des
Bruttoinlandsprodukts. Gleichzeitig befinden sich die USA in einer
gefährlichen Abhängigkeit von ihrem größten Gläubiger China. Zwar hat
Obama Sparmaßnahmen in Aussicht gestellt und will
Steuervergünstigungen abschaffen. Doch für die angekündigten
ambitionierten Projekte, mit denen er die USA wieder zur „Nummer 1“
machen will, reicht das bei Weitem nicht aus.
(Börsen-Zeitung, 27.1.2011)
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