Mit ihrer Leitzinssenkung und ihren verstärkten
Wertpapierkäufen macht sich die Bank von Japan gegen ihre eigenen
Überzeugungen zum Erfüllungsgehilfen einer schwachen Politik.
Angesichts der japanischen Erfahrungen während der Bankenkrise am
Anfang des Jahrzehnts warnt Gouverneur Masaaki Shirakawa seit langem
vor den hohen Kosten einer Nullzinspolitik. Noch vor vier Wochen
hielt er den Ankauf von noch mehr Staatsanleihen für unnötig und
wollte lieber den Konjunkturverlauf weiter beobachten. Trotzdem
kehren die Währungshüter jetzt überraschend zur quantitativen
Lockerung zurück, auch wenn sie das Tabuwort durch „umfassend“
ersetzen.
Ihre Argumente für die „außerordentlichen“ Maßnahmen sind ebenso
außerordentlich dünn: Sie verweisen auf eine sich abzeichnende
Wachstumsschwäche in Japan, den festen Yen, die anderthalb Jahre alte
Deflation und die unsicheren US-Konjunkturaussichten.
In Wirklichkeit hat sich die Zentralbank dem enormen Druck aus der
Politik gebeugt und damit ein großes Stück ihrer Unabhängigkeit, die
sie vor zwölf Jahren mühsam erkämpft hatte, aufgegeben. Die Regierung
benutzt die Bank von Japan, um einen Krieg der geldpolitischen
Lockerung mit den USA zu führen. Erst kaufte das Finanzministerium im
September mit Hilfe der Notenbank für 2,1 Bill. Yen (18 Mrd. Euro)
Dollar, um die japanische Währung zu schwächen. Nun werden die Zinsen
über alle Laufzeiten auf US-Niveau gedrückt, damit die Investoren
nicht mehr aus Dollar in Yen flüchten.
Um die japanischen Notenbanker gefügig zu machen, drohen ihnen
Tokios Politiker seit Monaten mit einem gesetzlich festgelegten
Inflationsziel. Dadurch würde die Zentralbank letztlich wieder zum
verlängerten Arm des Finanzministeriums. Ganz klar zeigt der Fall von
Japan die Grenzen einer extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik
auf. Aus der Deflation kann die Wirtschaft nur herauswachsen. Dafür
muss die Politik die richtigen Anreize für Privatinitiative geben und
ein unternehmerfreundliches Umfeld schaffen, etwa durch niedrige
Steuern und einfache Geschäftsregeln. Nichts davon haben Japans
Beamte und Politiker bisher versucht. Lieber schieben sie die
Verantwortung auf die Notenbank. Längst hätte Shirakawa mit seinem
Rücktritt klarstellen sollen, dass er dieses Spiel nicht mitmacht.
Doch dafür fehlt ihm das Rückgrat.
(Börsen-Zeitung, 6.10.2010)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de