Börsen-Zeitung: Operation am offenen Herzen, Kommentar von Bernd Neubacher zum Quartalsergebnis der Deutschen Bank

Milliardenverlust hin oder her – die Anleger
applaudieren der Deutschen Bank, und dies zu Recht. Am jüngsten,
abschreibungsbelasteten Quartalsergebnis des Instituts macht
zweierlei staunen. Da ist zum Ersten die Nonchalance, mit der die
Anleihe- und Devisenhändler des Hauses derzeit Erträge generieren.
Allerorten jammern Bankenchefs über maue Sommermonate und zaudernde
Kunden. Deutschlands Marktführer dagegen baut den Ertrag im
Sales&Trading, Aktien einmal ausgeklammert, binnen Jahresfrist noch
aus. Sollten die Händler der Deutschen Bank auch künftig die
Konkurrenten auf die Plätze verweisen, wäre dies für die
Angestellten, vor allem des Investment Banking, und für die Aktionäre
des Instituts sicher eine prima Sache. Noch sollte man aus den
notorisch schwankungsfreudigen Handelsergebnissen lieber keinen Trend
herauslesen.

Viel wichtiger ist zum Zweiten denn auch, wie die Operation
verlaufen wird, die Finanzchef Stefan Krause unter Zeitdruck am
offenen Herzen der Bank vornimmt, damit sie den neuen Kapitalvorgaben
des Baseler Ausschusses nachkommt – geschlagene sechs Jahre, bevor
die Regeln voll in Kraft treten. Etwaige Zweifel daran, dass die Bank
ihr Geschäftsmodell ändern und auch nach der jüngsten Aktienemission
weiter Kapital aufbauen muss, dürfte die am Mittwoch präsentierte
Simulation ausräumen: Die strikteren Vorgaben zur Abdeckung von
Unwägbarkeiten lassen die risikogewichteten Aktiva der Gesellschaft
schon vor Berücksichtigung der Postbank-Übernahme derart explodieren,
dass die Bank dieses Volumen von knapp 280 Mrd. Euro per Ende
September um rund ein Drittel reduzieren kann und damit noch nicht
einmal die Hälfte dieses Effekts aufholt.

Was Sales&Trading momentan an Erträgen generiert, ist daher fast
egal. Für die Bank und die Aktionäre ist entscheidend, ob das Haus,
vor Abschreibungen, noch dieselbe Ertragskraft haben wird, wenn es
erst einmal mit deutlich gebremstem Risiko fährt. Wenn die Bank
dieses Kunststück fertig gebracht hat, wird sie die Konkurrenz auf
Dauer hinter sich lassen. Für den Steuerzahler zählt, dass die Bank
und ihre Konkurrenten überhaupt ihre Risiken stärker abdecken. Mit
den jüngsten Zukäufen hat die Bilanzsumme der Deutschen Bank binnen
Jahresfrist um 18% auf knapp 2 Bill. Euro zugelegt. Systemrelevanter
geht es kaum mehr.

(Börsen-Zeitung, 28.10.2010)

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