Längst hatten wir es geahnt, jetzt ist es
statistisch belegt: Die Regulierung der Finanzwirtschaft erweist sich
als Beschäftigungsprogramm – nicht nur in den wuchernden
Aufsichtsbehörden, sondern auch bei den Beaufsichtigten. In der
Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken expandierten die Belegschaften
im vorigen Jahr um 1839 auf mehr als 190000 Mitarbeiter. Für die
Branche insgesamt zeigt der Trend zwar in die andere Richtung (minus
4600 Stellen), aber die kleinteilig aufgestellten Kreditgenossen sind
natürlich besonders gekniffen. Die Raiffeisenbank Struvenhütten mit
13,9 Mill. Euro Bilanzsumme und fünf Mitarbeitern, so sympathisch ihr
Geschäftsmodell „Das Geld des Dorfes dem Dorfe!“ sein mag, läuft eben
in der Tat Gefahr, durch Baseler 1500-Seiten-Konvolute „an die Wand
gedrückt“ zu werden, wie Verbandspräsident Uwe Fröhlich warnt. Da
müssen dann schon mal Spezialisten eingekauft werden. Im Verbund wird
der zusätzliche Personalbedarf grob auf 1200 Leute geschätzt.
Doch nicht nur wegen der kostentreibenden und den
Konzentrationsprozess fördernden Wirkung fehlt es den Genossen an der
ganz großen Regulierungseuphorie. Verständlicherweise! Dass die
Branche nach den Erkenntnissen aus sechs Jahren Krise an die Kandare
genommen werden muss: geschenkt. Und dass bei der Kontrolle der
globalen Finanzmärkte nicht jeder Ortsbank oder Sparkasse ständig
Extrawürste gebraten werden können: auch logisch. Um das „Ob“ der
Regulierung geht es aber gar nicht, sondern um das „Wie“ und nicht
zuletzt um das „Wie viel“. Insoweit wird von Tag zu Tag klarer, dass
– man denke beispielhaft nur an die anstehenden 200 Standards der
Europäischen Bankenaufsicht EBA – erstens kein Betroffener und kein
Beteiligter, egal auf welcher Seite, noch einen auch nur halbwegs
seriösen Überblick über den wachsenden Wust einschlägiger
Paragraphenwerke haben kann, geschweige denn über deren Interaktion
bzw. kumulative Auswirkungen.
Zweitens fallen die penetranten Versuche, auf der Bankenebene eine
weitere europäische Haftungs- und Transferunion zu etablieren –
aktuelles Stichwort: „einheitlicher Abwicklungsmechanismus“ –
zumindest aus deutscher Sicht zunehmend unangenehm auf. Drittens –
auch darauf weist der BVR mit Recht hin – ist bei zentralen Themen
der Bankenregulierung die demokratische Legitimation und/ oder
Kontrolle ungeklärt, etwa bei der geplanten Übertragung der
Bankenaufsicht samt hoheitlicher Eingriffsbefugnisse auf die
Europäische Zentralbank. So kann das nichts werden mit dem
Zusammenwachsen Europas.
(Börsen-Zeitung, 10.7.2013)
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