Börsen-Zeitung: Planbarkeit ist Trumpf, Kommentar zur Erstnotiz von Osram, von Michael Flämig.

Der Aktienmarkt gewinnt an Farbe: Mit der
Notierung der Osram Licht AG gehört auch Orange zum Spektrum der
Börse. Schon am Wochenende hatte der Münchner Lichtkonzern die
Fassade des Frankfurter Handelsplatzes mit einer Lichtinstallation in
die Unternehmensfarbe getaucht. Am Montag folgte die Aufnahme in den
Kreis der eigenständigen Börsenwerte mit dem Schlusskurs von 23,80
Euro pro Aktie. Die Anleger maßen dem Konzern eine
Marktkapitalisierung von 2,5 Mrd. Euro zu. Wie ist der Start zu
bewerten?

Ein voller Erfolg ist die Notierungsaufnahme, lässt sich beim
Blick in die Siemens-Bücher argumentieren. Denn dort stand das
Investment bisher mit 2,32 Mrd. Euro. Doch wer so rechnet, der
übersieht, dass Uralt-Investments wie Osram in der Regel prozentual
wesentlich höhere Wertaufschläge bringen.

Ein Schlag ins Wasser sei die Notierungsaufnahme, lautet die
konträre Sichtweise. Sie stützt sich auf den Fair Value, den
Siemens-Gutachter auf 3,2 Mrd. Euro festlegten. Mit 700 Mill. Euro
fällt der Abschlag auf diese Bezugsgröße höher aus als der Abstand
zum Siemens-Buchwert. Trotzdem läuft auch diese Sichtweise ins Leere.
Schließlich sehen Mütter ihre Sprösslinge häufig in einem verklärten
Licht, sodass ihre Bewertung nicht objektiv ausfällt, selbst wenn sie
sich auf die Expertise Dritter stützen.

Unter dem Strich aber ist Osram gut gestartet. Erstens fällt das
Kursminus mit 1% am ersten Handelstag moderat aus. Die ebenfalls
abgespaltene Lanxess musste 2005 ein Kursminus von knapp 6% verdauen,
bei Celanese sechs Jahre zuvor waren es sogar 8%. Wichtiger noch: Die
Abspaltung mehrte das Vermögen der Siemens-Aktionäre um geschätzt 4
Mrd. Euro. Unabhängig vom Start gilt für die Zukunft: Anleger
brauchen Historie, die muss das Management erst einmal aufbauen. Nur
so kann Vertrauen entstehen.

Der eigentliche Erfolg ist aber an anderer Stelle zu finden – bei
der Börsennotiz an sich. Denn Osrams Start gelang in einem extrem
volatilen Umfeld. Die Planbarkeit der Transaktion erwies sich als
Asset. Ähnliche Sicherheiten bieten sonst nur Vorabplatzierungen von
Aktien oder Verkäufe an Finanzinvestoren.

Im Gegensatz zu diesen Optionen hat die Abspaltung aus Sicht des
Alteigentümers den Charme, dass weder eine Due Diligence noch
finanzielle Nachforderungen drohen. Diese Vorteile hat zwar auch ein
klassisches IPO – bei allerdings ungleich höherem Transaktionsrisiko,
wie jüngst die Absage der Deutschen Annington zeigte. Die Aufgabe für
die Branche der Investmentbanker lautet daher, auch für den
klassischen Börsengang erfindungsreich die Planbarkeit auf den
letzten Metern zu erhöhen.

(Börsen-Zeitung, 9.7.2013)

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