Die ganze Krux des europäischen
Krisenmanagements liegt darin, dass Politik und Zentralbank
fortwährend mit der Brechstange herumfuhrwerken. Unter dem Druck der
Staatsschulden-, Banken- und Euro- Krise reagiert man, wie allzu oft
die EZB, panisch mit Notmaßnahmen, die an die Grenzen des Mandats
oder darüber hinausgehen. Oder man schludert, wie zuweilen die
EU-Kommission, in 20 Tagen ein Reformvorhaben hin, das 20 Jahre lang
verbummelt wurde. So richtig manche Idee und so notwendig manches gut
gemeinte Projekt im Sinne der europäischen Integration vom Grundsatz
her sein mag: Die Hudelei führt zum einen dazu, dass Entscheidungen
von enormer Tragweite nicht in all ihren Konsequenzen zu Ende gedacht
sind. Zum anderen werden Legalität und demokratische Legitimation wie
vernachlässigbare Petitessen behandelt. So geht im Zeichen der Krise
und im teils krampfhaften Bemühen um den Erhalt des Euro – oder
schlicht aus Angst vor unerwünschten Marktreaktionen – der
Rechtsstaat vor die Hunde. Das hat Züge von Anarchie.
Der von EU-Kommissar Michel Barnier als eine Säule der geplanten
Bankenunion vorgeschlagene einheitliche Abwicklungsmechanismus unter
Brüsseler Regie ist ein weiteres schlimmes Exempel für diesen
regulatorischen Aktionismus auf nicht nur rechtlich ganz dünnem Eis.
Die Kommission maßt sich in einer gewagten Konstruktion eine
Kompetenz für Schließung und Abwicklung von Banken an, die die
völkerrechtlichen Verträge der EU einfach nicht hergeben.
Insbesondere liefe der Abwicklungsmechanismus auf eine weitere
Form von Vergemeinschaftung der Haftung – womöglich gar für
Altrisiken – und obendrein auf eine faktische Enteignung hinaus, ohne
dass die Zahlmeister zugleich die Kontrolle hätten. In einer
vollendeten Fiskal- und Rechtsunion muss man über eine solche
Zentralisierung zweifellos nachdenken. Aber die politische Union
wurde eben seit den frühen neunziger Jahren verschludert, und zu den
dafür zwingend erforderlichen Souveränitätsverzichten ist ersichtlich
bis heute kein Land bereit.
Warum ist es dann für Brüssel so schwer zu verstehen, dass
Deutschland nicht auch noch mit den von den hiesigen Banken und
Sparkassen zumindest teilweise zulasten ihrer Kunden in nationale
Fonds eingezahlten Beiträgen für die Misswirtschaft einer spanischen
Bankia oder einer belgisch-französischen Dexia zur Kasse gebeten
werden will? Nebenbei: Wir haben doch selbst fürwahr mehr als genug
Banken, die von Dritten, namentlich den Steuerzahlern, gestützt
werden müssen und denen noch die Abwicklung blühen könnte.
(Börsen-Zeitung, 11.7.2013)
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