In Brüssel wird mal wieder ein Kampf zwischen
Europas Finanzplätzen ausgefochten. Auf der einen Seite stehen die
Londoner City und die dort ansässigen Investmentbanken, auf der
anderen Seite die kontinentaleuropäischen Börsen. Zankapfel ist die
Neufassung der EU-Marktrichtlinie, kurz: Mifid II, und darin
insbesondere die Regelungen über die Marktstruktur, die
Transparenzanforderungen und den Zugang zu Clearinghäusern. Ein
erheblicher Teil der Streitpunkte konnte gestern in den Verhandlungen
zwischen EU-Parlament, Ratsvorsitz und EU-Kommission aus dem Weg
geräumt werden. Doch die Frage, wer damit die Schlacht um Mifid II
gewonnen hat, bleibt erst einmal unbeantwortet.
Das liegt daran, dass technisch komplizierte Kompromisse
ausverhandelt wurden, deren Auswirkungen auf den Handel mit
Wertpapieren sich nicht einfach prognostizieren lassen. Mifid II, so
wie es derzeit an Konturen gewinnt, wird den Wettbewerb von
Handelsplattformen nicht aushebeln, aber andererseits auch keine
unbegrenzte Fragmentierung befördern. Oder kürzer und bündiger: Mifid
II wird Licht in einige Geschäfte bringen, aber den Handel im Dunkeln
nicht völlig verbieten. Die EU reguliert nicht per Ein- und
Ausschalter, sondern per Dimmer.
Das werden die britischen Lobbyisten womöglich kritischer
beurteilen. Sie haben große Anstrengungen unternommen, um möglichst
laxe Regelungen zu erreichen, etwa durch großzügige Ausnahmeregeln
von der generellen Handelsverpflichtung. Dabei wurde deutlich, dass
es den Banken auf der Insel vor allem um das Anleihen- und
Derivategeschäft geht. Wenn also nun der flehenden Forderung
kontinentaler Börsen entsprochen und das weniger streng regulierte
Handelsformat der Organized Trading Facilities nicht für das
Aktiengeschäft geöffnet wird, dürfte dies für die Häuser in der City
verkraftbar sein. Denn andererseits können sie auf der Habenseite die
Ausnahmeklauseln für den Handel jenseits geregelter Märkte verbuchen.
Ob sich diese „Waiver“ tatsächlich effektiv durch Volumengrenzen
beschränken lassen, ist längst noch nicht ausgemacht – und selbst das
EU-Parlament bleibt misstrauisch, indem es bereits jetzt eine
Revisionsklausel vorsieht.
Der Kompromiss ist insofern typisch europäisch. Er versucht,
Wettbewerb unter Handelsplätzen zuzulassen, dabei aber der
Notwendigkeit einer verlässlichen Preisfeststellung und eines fairen
und durchschaubaren Handels Rechnung zu tragen. Das lässt sich nicht
so einfach in Sieger und Verlierer übersetzen.
(Börsen-Zeitung, 22.11.2013)
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