Börsen-Zeitung: Runter vom hohen Ross, Kommentar von Antje Kullrich zur Ablehnung einer Übernahme des größten deutschen Baukonzerns Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS

Bei Hochtief schließen sich die Reihen.
Vorstand, Aufsichtsrat und Belegschaft rücken in ihrer Ablehnung
einer Übernahme des größten deutschen Baukonzerns durch den
spanischen Konkurrenten ACS zusammen. Die Hochtief-Kontrolleure
bezogen am Montag nur schwach kaschiert deutlich Stellung, die
schrille Begleitmusik lieferte das Pfeifkonzert der
Hochtief-Beschäftigten vor der Essener Konzernzentrale.

Den Widerstand jedoch als reflexartige Reaktion auf einen
ausländischen Übernahmeversuch abzutun, wäre zu einfach. Denn der
Knackpunkt ist, dass ACS trotz vieler salbungsvoller Worte bisher
nicht offengelegt hat, was der Kontrollwechsel dem Unternehmen
Hochtief eigentlich bringt.

Zwar schwadronieren die Spanier offiziell von den „sich ergebenden
Größenvorteilen“, doch hinter vorgehaltener Hand heißt es selbst im
ACS-Lager, dass die Synergieeffekte eher gering sind und für ACS ganz
klar die bilanzielle Seite mit der angestrebten Konsolidierung von
Hochtief im Vordergrund steht. Doch davon haben die Essener und ihre
übrigen Aktionäre nun mal überhaupt nichts.

Ein Gewinner steht indes schon fest: Die Investmentbanken, die
sich bei Hochtief schon fast auf den Füßen stehen, werden sich an dem
Fall voraussichtlich eine goldene Nase verdienen. Im Interesse beider
Konzerne ist das eigentlich nicht. Die Hochtief-Führung wird extrem
vom operativen Tagesgeschäft abgelenkt, und der Übernahmekampf kostet
angesichts der vielen Berater eine Menge Geld. Für ACS gilt, dass
demotivierte Belegschaften weniger produktiv sind und der Wert von
Hochtief damit sinkt.

Die Spitzenmanager auf beiden Seiten sollten von ihren hohen
Rössern herunter. Die Spanier strahlen eine gewisse Arroganz aus,
indem sie sich ihrer Sache schon sicher wähnen und sich um Zustimmung
der anderen Hochtief-Stakeholder mit nur geringem Enthusiasmus
kümmern. Der Hochtief-Vorstand dagegen zeigt sich beleidigt ob der
unfeinen Art, nicht vorher informiert worden zu sein.

Eine lange Hängepartie schadet allen – außer den Beratern. Im
Interesse der Unternehmen wäre die Rückkehr zu mehr Sachlichkeit und
an den Verhandlungstisch. Vielleicht ist es dafür schon zu spät, doch
einen Versuch wäre es wert. ACS täte gut daran, Hochtief ernst
gemeinte Perspektiven aufzuzeigen.

(Börsen-Zeitung, 5.10.2010)

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