Nach dem Griff von Portugal nach dem
Rettungsring werden die Bond- und Credit-Akteure in den kommenden
Wochen intensiv verfolgen, ob Spanien ebenfalls Hilfe brauchen wird.
Derzeit wird am Markt nicht davon ausgegangen. Aber das kann sich
bekanntlich sehr schnell ändern.
Viel wird in dieser Hinsicht vom Sentiment am Markt abhängen, das
durch den Auftritt der spanischen Schuldenmanager maßgeblich
beeinflusst wird. Wie gestaltet sich die Refinanzierungsstrategie
Spaniens, welche Renditen können und werden die Spanier am Markt noch
bezahlen? Wie groß ist der Rückhalt durch die spanischen Banken
tatsächlich, d.h. welche Volumina von Staatsanleihen werden BBVA,
Santander und & Co. den Schuldenmanagern in den einzelnen Auktionen
noch abnehmen (können)?
Zur Erinnerung: Nur einen Tag, bevor Lissabon in Brüssel anrief,
hatten die portugiesischen Banken erklärt, dass sie nicht mehr in der
Lage sind, weitere Anleihen des Staates auf die Bücher zu nehmen.
Schließlich seien sie bereits seit rund zwölf Monaten immer mit von
der Partie. Stetig abrutschende Bonds bedeuten eben herbe Verluste.
Das kann man nicht ewig durchhalten. Spanische Banken, die zwar als
robuster eingestuft werden als die portugiesischen Institute, werden
das auch wissen und im Notfall ebenfalls die Reißleine ziehen.
Der unbedarfte Betrachter wird sich die Frage stellen, warum sich
Banken derartig viele Staatsanleihen auf die eigenen Bücher laden,
dass sie selbst in prekäre Situationen kommen können. Nun darf
vermutet werden, dass bis zu einem gewissen Grad ein
Unterstützungsgedanke für den eigenen Staat eine Rolle spielt. Auch
deutsche Banken würden dem Bund bis zu einem gewissen Punkt helfen.
In vielen Ländern der Eurozone bestehen dem Vernehmen nach zwischen
den Schuldenagenturen der Staaten und den Banken, die im
Refinanzierungsgeschäft mit den Staaten tätig sind, aber sehr rigide
Verträge: Banken werden verpflichtet, bestimmte Anteile in den
Auktionen abzunehmen, es gibt Vorschriften für das Verhalten im
Sekundärmarkt und Ähnliches mehr. Halten sich die Banken nicht an die
Vorgaben, brauchen sie sich oft keine Hoffnungen mehr auf lukrative
Mandate bei anderweitigen Staatstransaktionen wie Asset-Verkäufen
oder Verbriefungen zu machen. Die Einhaltung der Vorgaben wird in
ruhigen Zeiten streng überwacht. Wie zu hören ist, ist die Kontrolle
in der Krise bei mancher Agentur aber laxer geworden. Es soll erkannt
worden sein, dass die Banken infolge der Finanzkrise nicht mehr in
der Position sind, diese Verträge einzuhalten. Offensichtlich wurde
das im Fall Portugal.
Herumgereicht wird im Markt des Weiteren, dass viele
Schuldenagenturen – darunter auch diejenigen der südlichen Peripherie
der Eurozone – bei ihren Auktionen Kosmetik betreiben. Es wird mit
sogenannten „defensiven Geboten“ gearbeitet. Das bedeutet: Bei einer
Staatsanleiheauktion geben Banken neben den Geboten zu marktgerechten
Preisen auch Gebote zu marktfernen Preisen ab. Beispiel: Eine
einjährige Anleihe mit einem Kupon von 4% würde den Banken bei einem
Marktzinssatz von 4% zum Preis von 100% verkauft werden. 100%
Gebotspreis wären marktgerecht – 95% hingegen nicht. Dann nämlich
müsste der Staat neben dem Kupon am Ende der Laufzeit 100% Nominal
zurückzahlen. Da er nur 95% in der Auktion bekommen hat, zahlt er
weitere 5Prozentpunkte obendrauf. Es wäre für den Staat zu teuer,
dieses Gebot zu akzeptieren. Legt aber eine Bank eine Order von 500
Mill. Euro zum Preis von 95% in die Auktion, wird dieses Volumen
ebenfalls als Nachfragevolumen ausgewiesen, allerdings nicht separat
und ohne Angabe des Gebotspreises von 95%. Es wird nur von einem
Gesamtvolumen berichtet, marktferne Preise hin oder her. Die
defensiven Gebote motzen das sogenannte Bid-to-Cover
(Gebots-Deckungs-Verhältnis) auf, eine vielbeachtete Kennziffer.
Staaten suggerieren darüber eine komfortable Nachfragesituation für
ihre Staatsanleihen – reine Auktionskosmetik.
Hinter vorgehaltener Hand wurde schon vor Jahren herumgereicht,
dass nur drei Staaten in der Eurozone ohne defensive Gebote arbeiten:
Deutschland und die Niederlande hätten eine stabile und sehr
ausgefeilte Refinanzierungsstrategie, die ohne defensive Gebote
auskomme. Luxemburg hat nur zwei Staatsanleihen und braucht deshalb
keine defensiven Gebote.
In der neuen Woche wird nun Spanien am Primärmarkt auftreten. Bei
der Beurteilung der Auktionsergebnisse und damit des
Investorenappetits sollte im Hinterkopf behalten werden, dass dabei
Schönfärberei eine Rolle gespielt haben könnte.
(Börsen-Zeitung, 16.4.2011)
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