Weil eine weitere Schwächung des
Unternehmerverbands Gesamtmetall auch der Gewerkschaft selber schaden
würde, greift die IG Metall jetzt ihrem Tarifgegner unter die Arme.
Denn in der jüngsten Tarifrunde akzeptierten viele Unternehmen nur
noch mit Murren das Verhandlungsergebnis. Ein Warnsignal. Zwar ist
die große Tariffluchtwelle vorbei, aber ein aus Unternehmersicht
erneut zu hoher Abschluss könnte die nächste anrollen lassen.
Also leistet die IG Metall nun Schützenhilfe mit ihrem neuen
Streikkonzept: Nicht die üblichen Tarifbezirke, Baden-Württemberg und
Bayern (und dazugehörige Konzerne), sollen die Hauptlast der
Auseinandersetzung tragen. Die Brennpunkte werden vielmehr über das
Bundesgebiet verteilt. Die Kritiker auf den „Tribünenplätzen“, meist
große Mittelständler aus der Provinz, die ihrem Verband oft in den
Rücken fallen, werden speziell aufs Korn genommen. Und auch die
tarifungebundenen Unternehmen werden sich nicht davonstehlen können.
Sie sollen spüren, dass sich Tarifflucht nicht lohnt, heißt es.
Die Strategie der IG Metall ist durchtrieben – und
erfolgversprechend. Denn ihre Schlagkraft ist größer geworden: Der
Mitgliederabfluss wurde gestoppt, der Organisationsgrad nimmt überall
wieder deutlich zu. Damit sich das später einmal auszahlt, will sie
jetzt die Tarifbindung insgesamt stärken.
Für die Tarifauseinandersetzung verheißt das aber nichts Gutes,
selbst wenn sie jetzt mit ihrer Forderungsempfehlung von 4,5 bis 5%
etwas unter den Erwartungen geblieben ist. Die Gefahr, dass die IG
Metall die Arbeitgeber über den Tisch zieht, ist groß. Keine guten
Aussichten auch für den Standort. Schließlich ist die
Investitionsschwäche hierzulande schon ein Reflex auf die wieder
steigenden Lohnstückkosten. Zwar ist viel von Facharbeitermangel die
Rede, zugleich droht aber auch eine neue Automatisierungswelle. Von
daher wäre statt eines singulären Lohnplus ein differenzierter
Abschluss passender.
Dies scheut die IG Metall indes wie der Teufel das Weihwasser. Die
komplexe Arbeitswelt verlangt aber nach einer differenzierten Antwort
auch auf Tarifebene. Die IG Metall hat bereits gezeigt, dass sie dazu
in der Lage ist. Eine Fähigkeit, die ihr in Umbruchzeiten – Stichwort
Industrie 4.0 – eigentlich zum Vorteil gereicht. Sie darf daher nicht
in alte Verhaltensmuster zurückfallen und muss weiter den
tarifpolitischen Trendsetter spielen. Auch, wenn das ihren Mitglieder
nicht schmeckt. Der Lackmustest für den neuen IG-Metall-Chef Jörg
Hofmann.
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