Tatenlos zusehen war einfach keine Option mehr.
In dieser und in der vergangenen Woche verging kaum ein Tag, an dem
der Schweizer Franken nicht ein neues Rekordhoch gegenüber Euro oder
Dollar erklomm. In den zurückliegenden sechs Monaten hat die
Gemeinschaftswährung 14% und der Greenback 18% zum Franken verloren.
Für die Schweizer Wirtschaft, deren Erfolg nicht zuletzt auf dem
Exportsektor fußt, ist die teure Währung eine zunehmende Belastung.
Dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) gestern ankündigte, per
geldpolitische Lockerung den Franken schwächen zu wollen, ist daher
kaum überraschend – auch wenn die Notenbank dem Markt zuvor keine
entsprechende Warnung gab. Die Maßnahme hatte zumindest kurzfristig
Erfolg: Der Euro stieg um 2% auf über 1,10 sfr und entfernte sich von
seinem Allzeittief von 1,0790 sfr. Auch für den Dollar ging es
aufwärts. Am Abend waren dessen Kursgewinne aber zum Teil wieder
verloren. Zu groß ist angesichts der enormen Nervosität an den
Märkten die Nachfrage der Anleger nach sicheren Häfen.
Das spricht dafür, dass die SNB schwereres Geschütz auffahren
muss, wenn sie den Franken zumindest stabilisieren möchte. Über
Liquiditätssteuerung will die Notenbank den Dreimonatszins „so nahe
wie möglich“ an die Null drücken. Allerdings war die Zinsdifferenz,
in normalen Zeiten der klassische Treiber von Wechselkursen, nie der
ausschlaggebende Grund für die Franken-Stärke – der Leitzins in der
Schweiz liegt bei nur 0,25%. Auch bringt eine noch weitere
geldpolitische Lockerung zahlreiche praktische und ordnungspolitische
Probleme mit sich. Unter anderem gibt es bereits jetzt Anzeichen
einer Überhitzung am Schweizer Immobilienmarkt.
Für die SNB sind dies aber offenbar die geringeren Übel. Die
Notenbank beeilte sich zu sagen, sie erwäge weitere Maßnahmen. Am
Markt herumgereicht werden Optionen wie eine direkte
Devisenmarktintervention, „Quantitative Easing“ für den Franken oder
sogar Kapitalverkehrskontrollen. Für ihre verlustreichen
Interventionen 2009 und 2010 war die SNB politisch in die Kritik
geraten. Berichten aus der Schweiz zufolge begrüßen Bundesrat und
Wirtschaftsverbände nun die Initiative der Notenbank. Das spricht
dafür, dass die SNB diesmal freie Hand hat – der Leidensdruck ist
gestiegen. An den zugrunde liegenden Trends von Schuldenkrisen in
Euroland und in den USA wird aber auch eine vorübergehend
erfolgreiche Schwächung des Franken nichts ändern.
(Börsen-Zeitung, 4.8.2011)
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