Zufälle gibt–s! Natürlich sind die überraschende
Ertragsschwäche des US-Generikaherstellers Akorn, den Fresenius
gerade für 4,8 Mrd. Dollar übernehmen will, und die von Fresenius
initiierte und jetzt publizierte Untersuchung zu möglichen
Missständen im Produktentwicklungsprozess von Akorn zwei Paar
Stiefel. Aber damit die Übernahme erfolgreich über die Bühne gehen
und Fresenius Freude an dem Deal haben kann, müssen eben beide Paar
Stiefel passen. Die von anonymen, aber wohl recht konkreten Hinweisen
ausgelöste Untersuchung zur Datenintegrität in Akorns
Produktentwicklung könnte zum Dealbreaker der Milliardenakquisition
werden. Trotz intensiver Due Diligence – und Fresenius gehört zu den
sehr akquisitionserfahrenen Unternehmen – war dem Gesundheitskonzern
der Einblick in die Produktentwicklung des börsennotierten
Wettbewerbers bisher verwehrt.
Auf welche Optionen muss sich der Markt einstellen? Wenn sich der
Verdacht als unbegründet oder nicht sehr substanziell erweist, wird
Fresenius den Deal durchziehen. Mit der Genehmigung durch die
Wettbewerbsbehörde FTC wird demnächst gerechnet. Sicher aber wird
Fresenius Akorn nach dieser Vorgeschichte und den enttäuschenden
Ergebnissen mit eigener Mannschaft auf Vordermann bringen und alles
daran setzen, auch diesen Zukauf schnellstmöglich auf Fresenius-Level
zu heben.
Sind die Vorwürfe materiell, wird Fresenius vom Übernahmevertrag
zurücktreten und versuchen, ihr strategisches Ziel der weiteren
Verstärkung bei intravenös zu verabreichenden Generika auf anderen
Wegen zu erreichen: aus eigener Kraft, über andere Akquisitionen oder
sogar mit einem zweiten Anlauf zum Akorn-Erwerb, dann aber gewiss zu
deutlich niedrigerem Preis.
Dass Fresenius aller Akquisitionsexpertise zum Trotz für Akorn
wohl zu tief in die Tasche gegriffen hat, kann man nach der
schwachen operativen Performance des US-Unternehmens im Jahr 2017 und
der vielen Luft, die gestern schlagartig dem Akorn-Kurs entwich, als
erwiesen ansehen. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass das
Fresenius-Management einen schwierigen Fall in einen Erfolg dreht –
man denke an die 2008 für 4,6 Mrd. Dollar erworbene APP
Pharmaceuticals, man denke an den erst im zweiten Anlauf geglückten
Kauf der Rhön-Kliniken. Insofern blicken in den nächsten Wochen nicht
nur Management, Pharma-Experten und Juristen, sondern vor allem die
Aktionäre von Fresenius und Akorn auf die jetzt offengelegte
Sollbruchstelle.
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