Ob der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB),
Mario Draghi, bei seiner Ankündigung, im Rahmen des EZB-Mandats alles
Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten, Spanien im Blick
gehabt hat, wird er wohl nie verraten. Aber es ist sehr
wahrscheinlich. Denn die Lage Spaniens an den Märkten ist
ausgesprochen prekär – so prekär, dass für Madrid Schützenhilfe aus
Frankfurt fast schon unumgänglich ist. Gerade die neue Handelswoche
wird für Spanien eine Herausforderung. Gleich am Montag geht–s los.
Spanien muss Anlegern Geld überweisen, und das nicht zu knapp. Es
wird eine ehemals zehnjährige Anleihe über rund 12,9 Mrd. Euro nebst
5% Zinsen fällig. Daneben muss Madrid noch Zinsen auf nicht fällige
Anleihen zahlen. Summa summarum: 20,6 Mrd. Euro sind aufzubringen.
Die Schuldenmanager werden den Termin hoffentlich im Kopf haben und
auf der Cash-Seite vorbereitet sein, ansonsten beginnt die neue
Handelswoche gleich mit einem Debakel: mit einem Default.
Sofern der Fälligkeitstermin nicht zur Katastrophe wird, richten
die Anleger den Blick auf die in der neuen Woche anstehenden
Auktionen der Spanier. Am Montag geben die Schuldenmanager die
Einzelheiten (Laufzeiten, Volumina) bekannt; dann wird sich zeigen,
wie sie sich im neuen Marktumfeld schlagen wollen. Denn Spaniens
Renditestrukturkurve – Laufzeitenband der Bonds von zwei bis zehn
Jahren – hat in den vergangenen gut zwei Wochen eine beunruhigende
Entwicklung hinter sich.
Zinskurve invertiert
Es ist allseits bekannt, dass die Spanier am langen Marktende,
d.h. bei zehn Jahren Laufzeit, mit 7 bis 7,5% nicht gerade die
günstigsten Zinsen in der Eurozone bezahlen. Bislang hatten es die
Schuldenmanager auch immer noch mit einer normalen Zinskurve zu tun:
Lange Zinsen liegen in diesem Fall über den kurzen Sätzen. Doch zur
Mitte der abgelaufenen Woche wurde die Kurve der Spanier im fünf- bis
zehnjährigen Segment auf einmal vollkommen flach bzw. im Ausmaß von
wenigen Basispunkten sogar invers. Fünfjährige Laufzeiten und
zehnjährige Bonds handelten in etwa auf dem Niveau von 7,5%,
fünfjährige Renditen waren zeitweise ein wenig höher als zehnjährige
Sätze. Eine flache bzw. sogar inverse Kurve wird an den Märkten
folgendermaßen interpretiert: Akteure vertreten dann die
Einschätzung, dass die gegenwärtige Entwicklung an den Märkten vor
dem Hintergrund der fundamentalen Lage des Landes nicht mehr
durchgehalten werden kann, sie gehen von einem gestiegenen Risiko
eines Defaults oder einer Schuldenrestrukturierung aus.
Hinzu kam ein weiteres beängstigendes Zeichen seitens der
Zinskurve, und zwar vom kurzen Ende. Auch die Renditen der
zweijährigen Staatstitel zogen deutlich an – bis auf rund 7%. Vor
allem die Geschwindigkeit, mit der sich die Kurve verflachte bzw.
sogar invertierte, treibt Anlegern Sorgenfalten auf die Stirn.
Innerhalb von rund zwei Wochen wurde das kurze Marktende für die
Spanier fast genauso teuer wie das lange Ende.
Dass genau dieses Phänomen einer sich abflachenden Kurve verbunden
mit Kurveninversion in unterschiedlichen Laufzeitenbereichen bei den
Akteuren an den Märkten ein sehr mulmiges Gefühl hinterlässt, ist
nachvollziehbar. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass sich
eine derartige Entwicklung der Zinsstrukturkurve vollzieht. Bei
Griechenland, Irland und auch bei Portugal waren flache Kurven,
Inversionen, aber auch Verschiebungen der Kurve nach oben (die Sätze
in allen Laufzeiten gehen parallel nach oben und verteuern die
Refinanzierung des Staates insgesamt) unmittelbar vor dem Hilfsantrag
zu beobachten. Die Staaten wurden auf diese Weise von den Märkten
abgeschnitten.
Steigen Zinsen am langen Ende und ist der Staat vom langen
Marktende ohnehin schon abgeschnitten, kann er bei einer normalen
Zinskurve immer noch an das kurze Ende gehen und sich dort frisches
Geld zu noch tiefen Zinsen besorgen oder es zumindest versuchen.
Diese Möglichkeit wird ihm verständlicherweise bei einer flachen bzw.
sogar inversen Kurve genommen. Draghi wird die Entwicklung in Spanien
nicht entgangen sein. Seine Äußerungen führten erst mal wieder zu
einer Normalisierung der Bedingungen. Bislang hatten beruhigende
Worte von Notenbankern oder Politikern aber immer nur eine sehr kurze
Halbwertszeit. Es ist durchaus zu vermuten, dass sich daran nicht
viel geändert hat und die Kurve deshalb bald wieder abflacht. Vor
diesem Hintergrund wird Spaniens Gang an die Märkte mit Sicherheit
kein leichtes Unterfangen. Eingriffe der EZB könnten schon recht bald
erfolgen. Vielleicht schon in der neuen Woche.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weitere Informationen unter:
http://