Börsen-Zeitung: Streitbereit, Kommentar zur Troika von Detlef Fechtner

Regelmäßig wird vermutet, dass es Streit in der
Troika gibt. Diese Annahme ist gewiss nicht falsch. Denn dass
EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler
Währungsfonds regelmäßig aneinandergeraten, ergibt sich eigentlich
fast zwangsläufig aus ihren durchaus unterschiedlichen Aufgaben,
Perspektiven und Gewichtungen.

Ist der jüngste Zoff also nichts Besonderes, womöglich gar viel
Lärm um nichts? Nein. Denn dieses Mal zanken die Beteiligten nicht im
Hinterzimmer eines Athener Ministeriums, sondern keilen in aller
Öffentlichkeit miteinander. Disziplin und gegenseitige Loyalität
scheinen an ihre Grenzen gelangt – die Troika präsentiert sich nicht
mehr als das harmonische Treuebündnis, in dem jeder Partner eigene
Ansichten dem großen gemeinsamen Ganzen unterordnet. Da der akute
Druck der Märkte abgenommen hat und nicht mehr jede Ungereimtheit das
Szenario eines Auseinanderbrechens von Euroland auslöst, scheint
diese Treue für die Beteiligten nicht mehr zwingend zu sein.

Die Positionen von EU, EZB und IWF beim aktuellen Schlagabtausch
können nicht überraschen. Die EU-Kommission hat schon lange eine
Brille auf, die sich beim Blick auf Krisenländer und deren
Anstrengungen – immer wenn es mal wieder sein muss – rosarot färbt.
Das ist indes nachvollziehbar, schließlich geht es bei allen
Beschlüssen nicht allein um volkswirtschaftliche Vernunft, sondern
auch politische Akzeptanz. Es ist kein Zufall, dass in den
IWF-Berichten mehrfach eingeräumt wird, dass bestimmte Maßnahmen
sinnvoll gewesen wären, es aber keinen politischen Spielraum gab.

Es verwundert auch nicht, dass die EZB erst einmal bemüht ist,
sich aus dem Hickhack herauszuhalten. Sie hat ohnehin ein
distanziertes Verhältnis zu ihrer Troika-Rolle und dürfte die einzige
der drei Institutionen sein, die den Titel Rettungsmanager nicht
gerne hört. Bleibt der IWF: Die harschen Worte über den Umgang mit
Griechenland und die Betonung, dass sich der Fonds mit Einsätzen
dieser Art und dieses Volumens von seiner traditionellen Praxis
entferne, drängen zur Vermutung, dass die Spannungen im IWF über das
Engagement in Euroland wachsen. IWF-Chefin Christine Lagarde deutet
seit längerem an, dass Geduld und Bereitschaft sinken, in Euroland
immer neue Kompromisse einzugehen. Die werden aber auch künftig
erforderlich sein. Denn das ist die – gestern fast unbeachtete –
Botschaft der IWF-Berichte: Griechenland war ein besonders
schwieriges Euro-Krisenland, ist es und wird es absehbar bleiben.

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