Mit dem Start der neuen Tarifrunde in der
Metallindustrie beginnt erneut das immer gleiche Spiel: Die
Gewerkschaften zurren ihre Lohnforderung fest – für die IG Metall
sind es diesmal „bis zu 5,5%“ -, und die Arbeitgebervertreter
reagieren erwartungsgemäß ablehnend. Die Arbeitnehmer verweisen auf
den Lohnverteilungsspielraum und – seit jüngstem mit Rückendeckung
der Bundesbank – auf die nötige Stützung des Privatkonsums. Die
Arbeitgeber geben indes zu bedenken, dass die Konjunktur eher fragil
ist und dass es nicht allen Mitgliedsunternehmen so gut geht, wie die
Statistiken suggerieren.
Allerdings wissen beide Seiten schon jetzt, dass eine Einigung
irgendwo in der Mitte zu liegen kommen wird. Da als
Lohnverteilungsspielraum nicht kurzfristige Indikatoren, sondern eher
längerfristige gesamtwirtschaftliche Eckdaten hergenommen werden wie
das EZB-Inflationsziel von 2% sowie eine Produktivitätssteigerung von
gut 1%, erscheint ein jahresdurchschnittliches Tarifplus von etwas
über 3% realistisch. Das gilt vor allem dann, wenn zusätzliche
Komponenten wie eine längere Tariflaufzeit Rechentricks erlauben. Und
auch die mit zu verhandelnden „sozialen“ Forderungen der IG Metall
nach einer tariflichen Anpassung des Altersteilzeitvertrags sowie
nach einer Verabredung über Bildungsteilzeit gibt Manövrierraum. Die
Tarifrunde dürfte daher – jenseits bisweilen schriller Töne zur
Mobilisierung der eigenen Mitglieder – eher überraschungsfrei
verlaufen.
Beide Seiten wissen schließlich, dass sie wegen der Bedeutung
ihrer Branche für das Wohlergehen der gesamten Volkswirtschaft
entsprechend verantwortungsvoll agieren müssen. Und ihrer maßvollen
Lohnpolitik war es auch zu verdanken, dass sich die deutsche
Wirtschaft im Zuge der Agenda-Reformen so zügig aus der Krise
befreien konnte.
Vor diesem Hintergrund gewinnt auch der Gesetzentwurf zur
Tarifeinheit eine neue Qualität. Dass eine solche Initiative
notwendig ist, hatte zuletzt die Lokführergewerkschaft GDL gezeigt,
als sie wegen eines internen Streits mit der konkurrierenden
Eisenbahnergewerkschaft die ganze Volkswirtschaft in Geiselhaft nahm.
Die neue Regelung soll eine solche Tarifkonkurrenz zügeln. Das ist
ein Beitrag zum Betriebsfrieden, aber auch zur Sicherung der
Standortqualität Deutschlands. Denn im Vergleich zu Lokführern,
Piloten u.a. haben sich die großen Industriegewerkschaften zuletzt
stets als verantwortlich im Hinblick auf das Gemeinwohl gezeigt –
ohne die Interessen der eigenen Mitglieder hintanzustellen.
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