Der Wirkstoff Glyphosat vernichtet nicht nur
Unkraut, sondern hat auch eine ungemein toxische Wirkung auf Bayers
Aktienkurs. Ein weiteres Urteil einer Geschworenen-Jury in den USA
gegen den Konzern in der ersten Instanz sorgt für einen Wertverlust
von mehr als 6 Mrd. Euro an einem Tag. Wer nur die Höhe möglicher
Schadenersatzzahlungen vor Augen hat, mag die Reaktion der Investoren
für übertrieben halten, da ja bereits in der zweiten Hälfte des
vergangenen Jahres der Kurs nach dem ersten Urteil gewaltig unter die
Räder gekommen und der Marktwert um einen zweistelligen
Milliardenbetrag gesunken war. Doch eine solche Betrachtung greift zu
kurz.
Die starke Reaktion auf das zweite für Bayer desaströse Urteil in
Sachen Glyphosat ist auch ein Misstrauensvotum gegen einen Vorstand,
der nicht in der Lage war, ein zum Zeitpunkt der Monsanto-Übernahme
schon offenkundiges Risiko in seiner Dimension einigermaßen richtig
zu erkennen. Da schwingt dann schon die Frage mit, ob das die einzige
Fehleinschätzung war und Werner Baumann als Treiber des 63 Mrd.
Dollar teuren Monsanto-Desasters noch der richtige Mann ist, um die
Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.
Unsicherheit ist Gift an der Börse und diese Unsicherheit dürfte
wohl noch eine ganze Weile anhalten. Bayer kann kein Interesse daran
haben, sich jahrelang durch eine Prozesslawine in den USA zu
schleppen. Der Ausweg besteht in einem Vergleich. Doch den kann es
kurzfristig eigentlich nicht geben. Insgesamt sieben Prozesse in
Sachen Glyphosat sind in diesem Jahr angesetzt – alle vor
Geschworenengerichten und in erster Instanz. Wann das erste
Berufungsverfahren mit einem Berufsrichter startet – hier setzen der
Konzern und viele Analysten auf einen anderen Ausgang -, vermag
Bayer derzeit nicht zu sagen. Doch eine Entscheidung in zweiter
Instanz wird der Konzern wohl abwarten wollen – und müssen, um sich
nicht durch einen verfrühten Milliardenvergleich der Gefahr von
Aktionärsklagen auszusetzen.
Der Bayer-Chef steht nicht erst seit gestern unter enormem Druck.
Die Hauptversammlung in fünf Wochen – bei Bayer ohnehin traditionell
eine konflikt- und protestreiche Veranstaltung – dürfte turbulent
werden. So existiert bereits ein Gegenantrag von Governance-Experte
Christian Strenger auf Nichtentlastung des Vorstands. Und auch
aktivistische Aktionäre, die meist als Erstes die Führungsgremien
angehen, finden bei Bayer im derzeitigen Zustand ein günstiges
Einstiegsszenario vor.
(Börsen-Zeitung, 21.03.2019)
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