Börsen-Zeitung: Überraschungscoup, Kommentar zum Investitionsprogramm der Bundesregierung von Angela Wefers

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
weiß, wie man Nachrichten beherrscht. Pünktlich zur Steuerschätzung
landete er einen Überraschungscoup: 10 Mrd. Euro will er über drei
Jahre von 2016 bis 2018 für öffentliche Investitionen zusätzlich
bereitstellen. Das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts für 2015
und die folgenden Jahre steht.

Mit einem Handstreich hat Schäuble nach der Steuerschätzung alle
drohenden schlechten Nachrichten über die lahmende Konjunktur und
weniger dynamisch steigende Steuereinnahmen weggewischt. Denn
tatsächlich haben die Schätzer ihre Ansätze nach unten korrigiert.
Das musste so kommen, nachdem die Wachstumsprognosen für 2014 und
2015 nicht mehr so rosig aussehen wie noch im Frühjahr, auch wenn sie
durchaus auf normalem Niveau liegen. Die Schätzerzahlen zeigen: Die
automatischen Stabilisatoren im System wirken. Die Steuerlast atmet
mit der Konjunktur.

Ein Überraschungscoup ist die Ankündigung des
Investitionsprogramms auch deshalb, weil es an ein finanzielles
Wunder grenzt, dass trotz geringerer Steuereinnahmen Spielraum für
zusätzliche Ausgaben auftaucht, ohne die Neuverschuldungsmaschinerie
anzuwerfen. Schäuble helfen die sinkenden Zinsausgaben. Wachsen die
Schulden nicht mehr, bleibt die Zinslast zumindest gleich. Viel mehr
aber hilft die dauerhafte Niedrigzinspolitik der Europäischen
Zentralbank, den Posten im Bundeshaushalt zu drücken, in dem
traditionell auch Puffer für Unvorhergesehenes steckt.

Die Ankündigung Schäubles ist ein politischer Befreiungsschlag.
Der Minister erhört die Forderung des Koalitionspartners SPD nach
einem öffentlichen Investitionsprogramm, ohne dessen Drängen nach
einer Steuererhöhung nachzugeben. Dieses frohlockende „Seht her, mein
Kurs führt zum Ziel“ hat auch eine europäische Dimension. Es strahlt
nach Paris und Rom und entkräftet die Kritik des Kaputtsparens in der
Dauerdebatte um den richtigen finanzpolitischen Kurs. Auch die
Investitionsoffensive von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
unterstützt Schäuble.

Politisch durchdacht ist auch der Zeitplan. Starten die
Investitionen 2016, tritt die positive Wirkung pünktlich im Wahljahr
2017 ein. Den Haushalt 2018 wird ohnehin die Bundesregierung der
nächsten Legislaturperiode bestimmen. Fast wäre das Wichtigste
vergessen: Wo und wofür wird überhaupt investiert? Dies soll erst
zwischen den Koalitionspartnern CDU, CSU und SPD verhandelt werden.
2016 ist ja auch noch eine Weile hin.

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de