Börsen-Zeitung: Von Mayas und Kreisläufen, Börsenkommentar „Marktplatz“, von Georg Blaha.

Am 12. oder 14. Dezember hätte die Eurozone
eigentlich zusammenbrechen sollen. Das sagten zumindest die
Untergangspropheten, die zehn Tage vor diesen Terminen
öffentlichkeitswirksam verkündeten, die Währungsunion sei erledigt,
wenn sich der Rauch vom EU-Gipfel gelegt habe und das politische
Scheitern offenkundig geworden sei. Aber es ist wie bei den
Weltuntergangsprognosen, die den Maya-Indianern zugeschrieben werden:
Wenn sie nicht zutreffen (wie 2010 geschehen), wird das Datum einfach
gerade so weit nach vorn korrigiert, dass die Spannung weiter
aufrechterhalten wird. Nun soll der Euro-Untergang Anfang Februar
kommen, wenn Italien 26 Mrd. Euro am Bondmarkt refinanzieren muss,
was angesichts der hohen Nervosität an den Märkten als schwieriges
Unterfangen gilt.

Immerhin waren die Untergangspropheten offenbar zumindest am
Devisenmarkt erfolgreich, denn der Euro ist zwar nicht untergegangen,
hat aber zwischen dem 12. und 14. Dezember rund 4 US-Cent auf
Kursniveaus um 1,30 Dollar eingebüßt. Über die beendete Handelswoche
bleibt das größte Wochenminus seit drei Monaten stehen. Ein
erleichterndes Gefühl von „Hurra, wir leben noch“ möchte sich daher
noch nicht so recht einstellen.

Dennoch sollten Anleger für 2012 in Erwägung ziehen, dass sich die
Lage in Euroland auch einmal wieder stabilisiert. Kurzfristig dürften
Sorgen um Europa das Marktgeschehen dominieren: Das Deleveraging wird
sich fortsetzen und der Dollar, US-Staatstitel sowie Bundesanleihen
gefragt bleiben und riskantere Schwellenländermärkte zur Schwäche
neigen. Der risikoscheue (Risk-off-)Modus der globalen Märkte zeigt
sich nicht zuletzt in den spekulativen Long-Positionen auf
Schwellenländerwährungen, die bei nahe null rangieren. Viele
Standardszenarien der Banken für 2012 schreiben diese Trends fort.

Fakt ist aber, dass die europäische Politik große Fortschritte
gemacht hat, die vertraglichen Grundlagen der Währungsunion auf ein
solideres Fundament zu stellen. Für die Märkte ergibt sich damit für
2012 eher ein Szenario der gebremsten Risikofreude als ein weiteres
Panikjahr. Dafür spricht, dass die US-Konjunktur wieder Fahrt
aufnimmt. Der Ausblick der Notenbank Federal Reserve in der beendeten
Woche war zwar vorsichtig, aber weit weniger pessimistisch als zuvor.
Der viel beachtete Empire-State-Konjunkturindex hat alle Prognosen
geschlagen. Das alte Muster, wonach die USA die Weltkonjunktur aus
einer Rezession zieht, zeichnet sich zumindest sachte ab. Zudem
dürfte China, die Konjunkturlokomotive Nummer 2, eine weiche Landung
hinbekommen. Und es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass die
Europäische Zentralbank (EZB) die Zeit überbrückt, bis die
Euroland-Institutionen besser funktionieren und die Reformen in den
Peripheriestaaten wirken.

Ein ermutigendes Signal kam Ende November, als die großen
Zentralbanken weltweit ihre Handlungsfähigkeit mit der Bereitstellung
billigerer Dollarliquidität zeigten. Das Kursfeuerwerk an den Märkten
war entsprechend. Risikofreude wird es geben, einfach weil es so viel
Liquidität gibt. In der neuen Woche wird die EZB auch erstmals in
ihrer Geschichte ein dreijähriges Refinanzierungsgeschäft anbieten.
Bei ihrem „Krisentender“ mit einem Jahr Laufzeit Mitte 2009 holten
die Banken die Rekordsumme von 440 Mrd. Euro. Anfang Januar werden
zudem die Mindestreserveanforderungen gelockert, was noch einmal 100
Mrd. Euro bei den Banken freisetzen wird. 2009 gingen die Banken mit
Staatsbonds aus den Peripherieländern ins Risiko. Diesmal dürften sie
zwar andere Wetten eingehen. Doch irgendwohin muss das Geld fließen,
was dafür spricht, dass Aktienmärkte, Rohstoffe und
Schwellenland-Assets deutlich zulegen werden.

Gebremst wird die Risikofreude freilich von der vorerst
anhaltenden Unsicherheit in Europa sowie von den derzeit
ungünstigeren Fundamentaldaten bezüglich Konjunktur und dem
Angebotsüberhang am Rohstoffmarkt. Die liquideren Devisen von
Schwellenländern könnten diesen Trend zuerst anzeigen und dabei auch
von relativ besseren Ratingurteilen profitieren (entweder durch
Heraufstufung der Länder selbst oder Herabstufung der großen Märkte).
Eine Ironie dieses optimistischen Szenarios dürfte die Schwäche des
Euro sein: Nachdem sich die Devise in den Krisenjahren 2010 und 2011
so stabil gehalten hat, wird sie 2012 aufgrund der gelockerten
Politik der EZB eher um 1,25 Dollar tendieren. Für andere
Risikoassets dreht sich das Rad aber munter weiter. Die Mayas, die
mehr an ewige Kreisläufe denn an ständige Weltuntergänge glaubten,
hätten ihre Freude an modernen Finanzmärkten.

(Börsen-Zeitung, 17.12.2011)

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