Börsen-Zeitung: Vor der Dollar-Wende, Börsenkommentar „Marktplatz“, von Christopher Kalbhenn.

Die Finanzmärkte scheinen derzeit nur noch ein
Thema zu kennen: „Tapert die Fed, oder tapert sie nicht?“ Wie ein
Jo-Jo bewegen sich die Notierungen derzeit, je nachdem, ob Äußerungen
aus der Führungsetage der amerikanischen Notenbank oder
Konjunkturdaten auf eine frühzeitige Kürzung der Anleihenkäufe
hindeuten oder eben nicht. Dabei zeigen die Märkte teilweise ein
merkwürdiges, wenn nicht gar unsinniges Verhaltensmuster.

Als am Donnerstag in den USA ein grottenschlechter Konjunkturindex
veröffentlicht wurde, nahmen die Aktienmärkte dies mit Erleichterung
auf und erholten sich deutlich, weil ihnen das die Angst nahm, dass
die Fed frühzeitig mit dem Tapering beginnen könnte. Übersetzt heißt
das: Nur wenn es uns wirtschaftlich richtig schlecht geht, können wir
uns darauf verlassen, dass die US-Notenbank die Märkte weiterhin mit
Liquidität flutet und wir selbst bei einer deutlichen weiteren
Aufblähung der Bewertungen immer noch einen Dümmeren finden werden,
dem wir unsere Aktien ins Depot drücken können. Dass dies keine Basis
für eine nachhaltige und solide Aufwärtsbewegung sein kann, versteht
sich von selbst. Es bleibt dabei, dass letztlich nur eine bessere
Entwicklung der Unternehmensergebnisse eine Fortsetzung der Rally
gewährleisten wird, und das setzt nun einmal wenigstens einigermaßen
robuste Konjunkturdaten voraus.

Auch der Dollar vollzieht derzeit wenig sinnstiftende
Kursschwankungen. Verstärkt sich der Glaube an einen zeitnahen
Tapering-Auftakt, steigt der Dollar – sprechen Notenbanker-Äußerungen
oder Daten dagegen, sinkt er wieder. Das kurzfristige Hin und Her
kann leicht den Blick darauf verstellen, dass die erste Reduzierung
der Anleihenkäufe der Fed nicht eine Frage des Ob, sondern nur des
Wann ist. Das Gleiche gilt für die später ebenfalls anstehende
Leitzinserhöhung. Beides wird zu einer Wende zugunsten des Dollar,
sprich zu einer spürbaren Aufwertung der US-Währung führen, zumal die
geldpolitischen Zügel nur dann angezogen werden, wenn die erwartete
Konjunkturerholung Realität wird. Die Landesbank Baden Württemberg
ist der Meinung, dass die Konjunkturdaten eine erste Reduzierung der
Anleihenkäufe bereits im Dezember rechtfertigen würden, glaubt aber,
dass dies erst im März 2014 geschehen wird. Eine erste
Leitzinserhöhung erwartet das Institut für März 2015.

Das umgekehrte Bild bietet der Euro, der sein Potenzial mit dem im
Oktober erreichten Hoch von 1,38 Dollar ausgereizt haben dürfte. Die
geldpolitischen Lockerungstendenzen haben sich verstärkt. Die
Europäischen Zentralbank (EZB) hat nach ihrer jüngsten
Leitzinssenkung weitere Lockerungsmaßnahmen, darunter einen negativen
Einlagenzins, signalisiert. Getrieben wird dies u.a. von den
disinflationären Tendenzen im Euroraum, insbesondere in Südeuropa, wo
die Teuerungsraten gegen null tendieren, was die deflationären
Risiken der Schuldenkrise aufzeigt. „Obwohl die Eurozone die sechs
Quartale andauernde Double-Dip-Rezession jetzt hinter sich gelassen
hat, wird die Arbeitslosenrate in der Region noch mindestens sechs
weitere Quartale lang bei rund 12% und die Inflationsrate deutlich
unter 2% verharren“, so ING Investment Management. „Sähe sich die
US-Notenbank Fed mit solchen Zahlen konfrontiert, hätte sie
mittlerweile alle Register gezogen, um die USA vor einer
Deflationsspirale à la Japan zu bewahren. Die eigentliche Frage
lautet daher nicht etwa, warum die EZB die Zinsen im November gesenkt
hat, sondern warum das nicht früher und offensiver geschehen ist.“

Im Ergebnis wird das sich abzeichnende Auseinanderlaufen der
Geldpolitik in den USA und Euroland nach Meinung der Helaba den
Dollar stützen. Die weniger expansive Geldpolitik werde dem Dollar
einen Schub geben, zumal die EZB ihre Politik noch lockern könnte.
Der Euro werde wird bis Mitte 2014 auf 1,30 und bis Ende 2014 in
Richtung 1,20 Dollar sinken, vor allem wenn im Jahresverlauf langsam
Zinserhöhungsfantasien aufkommen und sich auch bei kürzeren
Laufzeiten der Renditevorsprung von US-Titeln ausweite.

Doch nicht nur die Entwicklung im Euroraum spielt der US-Währung
derzeit in die Hände. Morgan Stanley weist darauf hin, dass derzeit
auch andere G10-Zentralbanken angesichts schwächlicher
Konjunkturdaten und disinflationärer Tendenzen Lockerungsneigungen
erkennen lassen, darunter die Währungshüter Australiens,
Großbritanniens und Kanadas. Das US-Haus erwartet, dass der Euro noch
im Schlussquartal auf 1,30 Dollar nachgeben wird, und prognostiziert
für das dritte Quartal 2014 einen Kurs von 1,24 Dollar.

(Börsen-Zeitung, 23.11.2013)

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