Börsen-Zeitung: Wenn die Bilanz drückt, Kommentar zu HSBC Trinkaus von Annette Becker

Es ist schon ein echtes Luxusproblem, mit dem
sich HSBC Trinkaus konfrontiert sieht. Denn während die Wettbewerber
auf dem deutschen Bankenmarkt mit dem Abbau ihrer Risikoaktiva
beschäftigt sind, drückt die Düsseldorfer die Bilanz, und zwar auf
der Passivseite. Die Kundeneinlagen haben mit 14 Mrd. Euro – ein
Zuwachs im ersten Halbjahr um satte 17 % – einen neuen Rekordstand
erreicht, während das Kreditvolumen gerade einmal 5 Mrd. Euro
erreicht.

Es liegt also eine Menge Geld brach, mit dem sich angesichts der
Dauerniedrigzinsen nichts verdienen lässt. Da liegt die
Schlussfolgerung, die der Vorstand der deutschen HSBC-Tochter zieht,
recht nah: Das Firmenkundengeschäft wird ausgebaut – um den Preis
höherer Risiken. Die Kundenzahl soll in drei bis vier Jahren mal eben
verdoppelt werden – aus eigener Kraft. Angesichts einer
Kernkapitalquote von gut 12 % ist das darstellbar, zumal auch die
britische Mutter im Bedarfsfall Gewehr bei Fuß stünde.

Allerdings muss die Frage erlaubt sein, wo Trinkaus die neuen
Kunden hernehmen will, wo doch seit Jahr und Tag am Ausbau genau
dieses Geschäfts gearbeitet wird – und keineswegs ohne Erfolg. Doch
das geht offenbar zu langsam, auch wenn feststeht, dass der deutsche
Mittelstand eine neue Bank so nötig braucht wie einen Schuss ins
Knie. Ein Zitat, das ausgerechnet von Trinkaus-Chef Andreas Schmitz
stammt. Auch gestern betonte Schmitz noch einmal die Gültigkeit
seiner Aussage, um jedoch nachzusetzen: „Wir sind ja kein ,new kid on
the block–.“

Richtig ist zwar, dass die Düsseldorfer dank ihrer Zugehörigkeit
zum globalen HSBC-Netzwerk gerade für international agierende Firmen
einen komparativen Vorteil gegenüber manch anderer Bank bieten, ein
Alleinstellungsmerkmal gerade im internationalen Vergleich ist das
gleichwohl nicht.

Was Trinkaus bislang auszeichnete, war die konservative
Geschäftspolitik, die zum erfolgreichen Umschiffen aller möglichen
Bank- und Finanzmarktkrisen beitrug. Nicht selten leistete der Posten
Risikovorsorge am Jahresende einen positiven Beitrag zum Ertrag. Ein
Bild, das nach der gestrigen Ansage wohl der Vergangenheit angehört.

Ob die Rechnung der Düsseldorfer aufgeht, wird sich erst in
einigen Jahren zeigen. Angesichts einer auf das Jahr hochgerechneten
Eigenkapitalrendite vor Steuern von 20 % liegt die Latte jedoch sehr
hoch. Denn mehr Geschäft ist nicht zwangsläufig mit einem Mehr an
Rendite gleichzusetzen.

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