Als Leser der Börsen-Zeitung sind Sie vermutlich
nicht gerade auf den Kopf gefallen. Womöglich haben Sie sogar eine 
Hochschulausbildung genossen. Haben Sie dank Ihrer Qualifikation 
einmal den Versuch unternommen, eine nur ein wenig außerhalb des 
Alltäglichen liegende steuerrechtliche Frage durch das Studium von 
Fachliteratur oder Internetrecherche so zu beantworten, dass Sie sich
danach auf der sicheren Seite fühlten und ein gutes Gewissen hatten? 
Haben Sie, weil dieser Versuch hierzulande erkennbar ein untauglicher
ist, zwei, drei Steuerberater um Hilfe ersucht und von ihnen zwei, 
drei gegensätzliche Auskünfte bekommen?
   Ja, das kennen wir alle. Dazu bedarf es keiner persönlichen 
Erfahrung mit steuergestaltenden Cum-ex- oder 
Cum-cum-Aktiengeschäften. Das deutsche Steuerrecht ist marode, 
vielleicht ist es sogar verfassungswidrig. Nach Überzeugung des 
früheren Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof sind manche der 
einschlägigen Gesetze wegen Unverständlichkeit und 
Widersprüchlichkeit nicht einmal ordnungsgemäß verkündet.
   Heute geht es um „Cum-cum“. Das Bundesfinanzministerium hat – aus 
Sicht der Finanzaufsicht BaFin mit möglichen Folgen für die Solvenz 
der Banken – in einem zwölfseitigen Rundschreiben seine neueste 
Auffassung zur steuerlichen Behandlung solcher Transaktionen zum 
Besten gegeben. Demnach sind die meisten dieser Geschäfte nun als 
rechtswidrig einzustufen – rückwirkend! Der deutsche Staat führt also
durch eine mindestens irreleitende Gesetzgebung einen unklaren 
Rechtszustand herbei, duldet dann jahrelang oder provoziert sogar ein
daraus abgeleitetes Verhalten der Rechtssubjekte, um diese 
schließlich hinterher wissen zu lassen, sie hätten das Recht 
missbraucht und sich gar strafbar gemacht. Und wenn es noch ganz dumm
läuft, wird wegen drohender Steuernach- und Strafzahlungen mal eben 
eine Bank dichtgemacht. Willkommen in Willkürland.
   Das hier vorgegebene Kriterium für einen Missbrauch – wenn Cum-cum
allein dem Ziel dient, Steuern zu sparen – ist so abwegig, wie das 
Vorgehen des Ministeriums dreist ist. Man muss ja die Steuergestalter
in Banken oder Unternehmen nicht gleich generell für Sympathieträger 
halten. Aber seit wann ist Steuervermeidung ein Delikt? Wozu dienten 
denn die vom deutschen Fiskus geförderten Bauherrenmodelle? Und wozu,
wenn nicht zur Steuervermeidung, wurden nach der Wende Ost-Immobilien
gekauft (die sich für die Anleger meist als Schrott erwiesen)? Da 
müssen wohl die Finanzminister Beihilfe zur strafbaren 
Steuerhinterziehung geleistet haben.
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