Börsen-Zeitung: Wunschzettel für 2018, ein Marktkommentar von Dietegen Müller

Nach einem ausgezeichneten Jahr an den meisten
Aktienmärkten sind die Auguren zuversichtlich, dass auch 2018 ein
guter Jahrgang werden könnte. Als einschränkender Zusatz wird nur
regelmäßig der Hinweis genannt, dies könne dann unter stärker
ausgeprägten Marktschwankungen geschehen als 2017. Denn anders als in
den Jahren zuvor dürften die liquiditätsspendenden Maßnahmen der fünf
großen Notenbanken weltweit zurückgehen. Die Privatbank Pictet
erwartet einen Rückgang der aggregierten Nettoliquiditätsinjektionen
von 2,5 Bill. Dollar im laufenden auf noch 0,5 Bill. Dollar im
nächsten Jahr, bevor es 2019 dann zu einem aggregierten
Liquiditätsentzug in Höhe von 80 Mrd. Dollar kommen dürfte.

Da dies dem Markt wohl bekannt ist, sollten daraus kaum größere
Überraschungen mit Kursfolgen resultieren. Etwas anders sähe dies
aus, wenn die Zinserwartungen plötzlich hochschnellen würden. Danach
sieht es momentan aber nicht aus. Laut der Bank of America Merrill
Lynch geht der Markt von einer Zinserhöhung um 81 Basispunkte durch
die US-Notenbank bis Dezember 2020 aus und von einem Anstieg von 46
Basispunkten für die EZB und von 4 Basispunkten für die Bank of
Japan. Das ist sehr überschaubar.

Ein Szenario, das im kommenden Jahr den Markt überraschen könnte,
wäre deshalb, wenn die Inflation stärker als erwartet anzieht. Dies
könnte zu Turbulenzen auf den Anleihemärkten und damit auch auf den
Aktienmärkten führen. Dann wären die Zinserwartungen zu zurückhaltend
gewesen.

Derzeit ist schwierig zu beurteilen, ob der Markt mit seiner fast
antiinflatorischen Haltung Recht hat, die zu einer Rendite
zehnjähriger Bundesanleihen von unter 0,30 Prozent führte. Die
Bundesbank hatte erst am Freitag erklärt, ihre Wachstumsprognose für
2018 für die deutsche Wirtschaft zwar von 1,7 Prozent auf
kalenderbereinigt 2,5 Prozent hochzusetzen. Zugleich geht sie aber
von einer gegenüber dem laufenden Jahr wenig veränderten
Kerninflationsrate von 1,7 Prozent aus. Erst 2020 soll sie auf 1,9
Prozent anziehen. Dies, obwohl die Bundesbank angesichts erwarteter
Engpässe am Arbeitsmarkt steigende Löhne erwartet. Die kaum noch
weiter steigenden Energiepreise dürften einen zunehmenden Preisdruck
bei anderen Waren und Dienstleistungen verdecken, heißt es.

Unter den Marktakteuren ist das Thema Inflation derzeit also nicht
vordringlich, zumindest wenn man sich auf Umfragen stützt. Laut einer
Erhebung des US-Abwicklers DTCC halten 78 Prozent der Befragten
Cyberrisiken für das größte Risiko im Markt, vor geopolitischen
Risiken, die von 69 Prozent genannt werden. 45 Prozent sehen in neuen
regulatorischen Vorschriften und 38 Prozent im Brexit Risiken, 25
Prozent halten die US-Geldpolitik für eine mögliche Risikoquelle. Ein
gleich hoher Anteil hält auch ganz allgemein eine plötzliche
Verwerfung im Finanzmarkt für möglich.

Daraus lässt sich eine Erkenntnis ziehen. Der Wunschzettel der
Investoren umfasst für 2018 wohl kaum ein moderates Inflationsumfeld,
denn dies wird ohnehin erwartet. Mehr Gewicht liegt auf politischen
Risiken. Diese waren schon für 2017 als zentral identifiziert worden.
In Realität hat dann aber der Ausgang der französischen Wahlen den
Euro und die europäischen Aktienmärkte beflügelt.

Mit stoischem Gleichmut nahm der Markt dafür bisher die schwierige
Regierungsbildung in Deutschland hin, auch wenn die Tatsache, dass
eine stabile deutsche Regierung bisher fehlt, zu den Überraschungen
von 2017 zählte. Ebenso überraschend ist auch, wie trotz der
Kapriolen der US-Regierung unter Donald Trump die Volatilität am
US-Markt auf ein Rekordtief gesunken ist.

2018 muss dies nicht so bleiben. Eine Eskalation zwischen den USA
und Nordkorea gilt als Extremszenario geringster
Eintrittswahrscheinlichkeit, doch politische Ereignisse haben die
Eigenschaft, schlecht einschätzbar zu sein. Risiken bergen auch die
für März 2018 wahrscheinlichen Wahlen in Italien. Sollten sich
euroferne Parteien durchsetzen, könnte dies zu neuen Spannungen in
der Währungsunion führen, die derzeit vom breiten wirtschaftlichen
Aufschwung übertüncht werden.

Auf dem Wunschzettel der Aktionäre, ob sie nun, wie Carl
Fürstenberg gesagt haben soll, dumm und frech sind oder ob sie
einfach risikobewusst handeln, wird das Trump- und Italien-Risiko
weit oben stehen – es möge sich bitte nicht materialisieren. Fast
sicher wird jedoch jenes Risiko, dass 2018 schlagend wird, heute noch
nicht auf der Liste zu finden sein.

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