Börsen-Zeitung: Zähes Geschäft / Kommentar zum aktuell recht schwierigen IPO-Geschäft von Helmut Kipp

Missraten wie kaum ein Börsengang zuvor ist das
IPO des defizitären Online-Modehändlers Global Fashion Group. Die
Nachfrage unter professionellen Investoren war so gering, dass die
beiden Großaktionäre mehr als die Hälfte der Emission aufkaufen
mussten. Und der Ausgabepreis wurde drastisch auf 4,50 Euro gesenkt –
das obere Ende der Preisspanne war mit 8 Euro fast doppelt so hoch.
Wer nun gehofft hat, diese Zugeständnisse würden wenigstens zu einem
halbwegs passablen Börsenstart beitragen, sieht sich getäuscht. Am
Dienstag, dem ersten Handelstag, kam der Aktienkurs unter die Räder.
Das zeigt, wie groß die Fehleinschätzungen sind, die sich die
Konsortialführer Goldman Sachs, Morgan Stanley und Berenberg
vorhalten lassen müssen.

Zwei Punkte dürften Investoren abschrecken. Zum einen verkauft
Global Fashion ihre Mode in so unterschiedlichen Regionen wie
Russland, Indonesien, Australien oder Brasilien. Das verringert die
Transparenz. Zum anderen hat Rocket Internet, einer der
Hauptaktionäre, so manchen Anleger mit den hohen Kursverlusten bei
Home24 und Westwing vergrault. Die Aktienkurse dieser beiden
Unternehmen aus dem Rocket-Portfolio stehen nicht nur infolge
operativer Probleme unter Druck. Der Berliner Start-up-Finanzierer
hat den Kursverfall mit massiven Aktienverkäufen befeuert – zum
Leidwesen anderer Aktionäre.

Auch das Traton-IPO, anfangs als Eisbrecher für den deutschen
Neuemissionsmarkt gehandelt, verlief ausgesprochen holprig. Schon die
Verschiebung des Börsengangs Mitte März wirkte unglücklich, hatten
sich doch die Aktienmärkte damals bereits deutlich vom Einbruch im
vierten Quartal 2018 erholt. Seit dem Börsenstart am vergangenen
Freitag notierte die Aktie meist unter dem Ausgabepreis. Zuletzt
wurde dieser wenigstens wieder erreicht. Dabei lag der Emissionskurs
bereits ganz am unteren Ende der Preisspanne.

Für das ohnehin zähe IPO-Geschäft in Deutschland bedeutet vor
allem das Global-Fashion-Desaster einen Rückschlag. Mehr als 500
Börsengänge gab es weltweit in den ersten sechs Monaten 2019. In
Deutschland waren es bisher gerade mal drei. Fürwahr ein tristes
Ergebnis für die viertgrößte Volkswirtschaft, zumal mit dem
IT-Unternehmen Frequentis einer der Neulinge aus Österreich kommt.
Die Pipeline für das zweite Halbjahr gibt nicht viel her. Damit
richten sich die Blicke auf 2020. Dann könnten mit Wintershall Dea,
der Conti-Antriebssparte, dem Siemens-Energiegeschäft oder den
Thyssen-Aufzügen einige große IPOs anstehen.

(Börsen-Zeitung, 03.07.2019)

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