Börsen-Zeitung: Zwei auf einen Streich, Kommentar zur Deutschen Börse von Dieter Kuckelkorn

Carsten Kengeter, der neue Vorstandsvorsitzende
der Deutschen Börse, legt eine gewisse Eile an den Tag bei der
Neuausrichtung des Marktbetreibers, die man seinem Vorgänger Reto
Francioni weniger nachsagen konnte. Zwar sind die beiden aktuellen
Übernahmen, nämlich die der Devisenhandelsplattform 360T und des
Indexanbieters Stoxx, schon vor seinem Antritt eingefädelt worden.
Kengeter hat sie aber zügig zum Abschluss gebracht und damit seiner
Ankündigung, es werde kleinere und auch größere Akquisitionen geben,
rasch Taten folgen lassen. Bei 360T ist es ihm zudem gelungen, die
US-Derivatebörse CME Group aus dem Rennen zu werfen.

Kengeter macht damit Fortschritte in der Expansion der Deutschen
Börse in neue Wachstumsfelder, die global gesehen eine hohe Dynamik
aufweisen. Auf neue Expansionsfelder ist die Börse auch dringend
angewiesen. Zwar hat sie mit der Derivatebörse Eurex und dem
Zentralverwahrer und Abwickler Clearstream Cash-cows im
Konzernverbund, an denen sie hervorragend verdient. Dennoch muss sie
sich, wenn sie ihre Ertragsstärke erhalten will, nach neuen Ufern
umsehen. Was Francioni – meist ohne eigenes Verschulden – verwehrt
blieb, kann Kengeter für sich in Anspruch nehmen: Es geht fast
überall voran. In der wichtigen Wachstumsregion Asien darf die Börse
jetzt ein Clearinghaus betreiben. Und das boomende Indexgeschäft von
Stoxx gehört jetzt allein der Deutschen Börse.

Allerdings ist zumindest bei 360T der Preis, den Kengeter zu
zahlen bereit ist, hoch. Wurde kürzlich noch über eine Summe für die
Plattform von 650 bis 700 Mill. Euro spekuliert, sind es jetzt mit
725 Mill. Euro deutlich mehr. Da werden Erinnerungen wach an den Kauf
der US-Optionsbörse ISE im Jahr 2007 für 2,8 Mrd. Dollar. Die
Zukunftsperspektiven der ISE sahen damals ebenso glänzend aus wie
heute die von 360T. Dann aber kamen nicht nur die Finanzkrise
dazwischen, sondern auch Umwälzungen auf dem US-Optionsmarkt, auf dem
heute viel mehr Wettbewerb herrscht. Auch für den Devisenmarkt gilt,
dass Wettbewerber wie FX all und FX Connect nicht schlafen. Zudem ist
es nicht sicher, dass sich ein dynamisches Start-up wie 360T gut in
die bürokratischeren Strukturen eines größeren Konzerns wie der
Deutschen Börse integrieren lässt. Mit Bondcube ist so etwas schon
einmal schiefgegangen.

Kengeter wird also Geschick und auch Glück brauchen, damit sich
die Deals lohnen und nicht wie bei Bondcube und der ISE zu
Fehlschlägen werden.

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