Bundesregierung ohne Konzept und Willen in der Drogen- und Suchtpolitik

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion „Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung“ erklaert die zustaendige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Angelika Graf:

Keine Senkung der Promillegrenze fuer Autofahrer, keine Aenderung der Arbeitsstaettenverordnung zugunsten des Nichtraucherschutzes, kein Verkaufsverbot fuer Alkohol zwischen 22.00 und 5.00 Uhr, keine Unterstuetzung fuer ein Werbeverbot fuer Alkohol in Hoerfunk und Fernsehen vor 20.00 Uhr, keine Ausweispflicht fuer Jugendliche, die Alkohol kaufen wollen sowie kein Suchtbericht 2010. Stattdessen Expertengespraeche, Gespraeche ueber freiwillige Selbstkontrollen und Hoffen auf das Beste. Das ist nicht genug. Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD zur Drogen- und Suchtpolitik offenbart leider einen Stillstand in der Drogen- und Suchtpolitik.

Die neue Bundesregierung hat die „Nationalen Aktionsprogramme zur Alkoholpraevention sowie zur Tabakpraevention“ fallen gelassen. Stattdessen soll es eine neue Strategie geben. Nachdem die Union bereits in der Grossen Koalition die „Nationalen Aktionsprogramme“ blockiert hatte, will sie diese nun offenbar endgueltig begraben. Es ist zu befuerchten, dass die neue Strategie der Bundesregierung allein auf freiwillige Selbstverpflichtungen setzt. Auf die Lenkungs- und Praeventionskraft gesetzlicher Regelungen soll aus ideologischen Gruenden und zugunsten der Lobby verzichtet werden. Das waere ein erheblicher Rueckschritt in der Drogen- und Suchtpolitik.

Und wo ist die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP)? Sie wuenscht sich vom Einzelhandel eine freiwillige Selbstkontrolle, um die Ausweispflicht von Jugendlichen durchzusetzen. Dabei muss der Einzelhandel bereits heute die Verkaufsverbote an Jugendliche einhalten, was aber eben in der Praxis nicht immer durch die Kontrolle eines Ausweises geschieht. Eine freiwillige Selbstverpflichtung duerfte hier nicht viel neues bringen. Mit „Wattebauschpolitik“
wird Frau Dyckmans dem Problem nicht gerecht.

Es ist ein Rueckschritt, dass die neue Bundesregierung den bewaehrten Drogen- und Suchtrat abschaffen und durch ein neues Gremium ersetzen will. Es besteht die Gefahr, dass das geplante neue Gremium vor allem ein wirtschaftshoeriges Abnickgremium werden koennte. Ansonsten haette die Bundesregierung schliesslich den etablierten Drogen- und Suchtrat weiterfuehren koennen. Die Bundesregierung schweigt sich bisher dazu aus, wie dieses neue Gremium aussehen soll und wer dort Mitglied wird.
Davon wird aber abhaengen, ob das neue Gremium – wie der Drogen- und Suchtrat – ein Impulsgeber fuer die Drogen- und Suchtpolitik wird oder zu einer Bremse.

Die Bundesregierung hat nach eigener Auskunft keine aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Werbe- und Sponsoringverboten fuer Alkohol und Tabak. Auch zu der Wirksamkeit von bildlichen Warnhinweisen und einem naechtlichen Verkaufsverbot von Alkohol konnte die Bundesregierung kaum auf wissenschaftliche Erkenntnisse verweisen. Vor diesem Hintergrund erstaunt es doch sehr, dass sie nach eigenen Angaben noch immer keine Entscheidung getroffen hat, welche neuen Studien sie in Auftrag geben will. Es scheint, als ob Schwarz-Gelb auf diesem Gebiet am liebsten gar keine wissenschaftlichen Erkenntnisse haben will.

Dort wo es Erkenntnisse gibt, kommen diese der Bundesregierung auch eher ungelegen. Der illegale Zigarettenhandel ist zum Beispiel laut Bundesregierung zurueckgegangen, auch wenn es ein breites Dunkelfeld gibt. So wurden in 2007 noch 465 Millionen Zigaretten von den Zollbehoerden sichergestellt. Bis 2009 ist diese Zahl um rund 40 Prozent gesunken – obwohl der Preis fuer eine Packung Zigaretten in der gleichen Zeit in Deutschland deutlich gestiegen ist. Der von der Bundesregierung sowie der Lobby erweckte Eindruck, dass eine hoehere Tabakbesteuerung lediglich zu einem Ausweichen auf illegale Produkte fuehrt, wird durch die Statistik also konterkariert. Die Bundesregierung sollte daher die Preispolitik fuer Tabakprodukte als wirksames Mittel anerkennen und fortfuehren. Aber auch hier ist zu befuerchten, dass die Bundesregierung sich allein auf das Hoffen und Appellieren beschraenkt.

Die Drogen- und Suchtpolitik kann sich keinen Stillstand erlauben. Es geht darum, vor allem junge Menschen vor den dramatischen Folgen von Drogenkonsum und Sucht zu schuetzen.

Dieses Ziel darf nicht den wirtschaftlichen Interessen der Lobbys untergeordnet werden. Expertengespraeche und freiwillige Selbstverpflichtungen sind wichtig. Sie koennen aber gesetzliche Vorgaben nicht ersetzen. Hier waere eigentlich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung gefordert, die Bundesregierung anzutreiben. Das ist bisher leider nicht passiert.

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