Kurz vor Beginn des CDU-Parteitages in Leipzig
macht sich Umweltminister Norbert Röttgen für die Einführung eines
gesetzlichen Mindestlohns stark. „Wenn in Zeiten abnehmender
Tarifbindungen immer häufiger Löhne gezahlt werden, die geringer sind
als Sozialhilfe, dann verletzt dies das Gerechtigkeitsempfinden fast
aller Menschen“, sagte Röttgen in einem Interview in der neuen, am
Donnerstag erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins stern. „Es
ist gute christdemokratische Politik, dagegen mit Lohnuntergrenzen
anzugehen.“ Zudem sei es „notwendig, um das Land zusammenzuhalten“.
Innerparteilichen Kritikern insbesondere vom CDU-Wirtschaftsflügel
hielt der stellvertretende Bundesvorsitzende vor: „Ich kenne viele
einfache CDU-Mitglieder. Die finden es ungerecht, wenn man für vier
bis fünf Euro arbeiten soll.“
Energisch plädierte Röttgen in dem Interview für eine konsequente
Modernisierung seiner Partei. „Soll die CDU, während die Welt um sie
herum sich verändert, zu einer dogmatisch erstarrten Partei werden,
die alle Vorurteile bestätigt?“, frug Röttgen im stern. Er
verteidigte auch die umstrittene Abkehr seiner Partei von der
Hauptschule. Nur wer sich mit „der Realität und den Wünschen von
Eltern und Schülern beschäftigt, und zwar unideologisch“, erziele
gute Ergebnisse. „Wir dürfen nicht programmatisch stehenbleiben und
ein Fossil werden. Dann würden wir abgewählt“, so Röttgen wörtlich.
Der CDU-Vize plädierte im stern auch für mehr innerparteiliche
Demokratie: „Man muss mehr erklären, mehr begründen – und mehr
beteiligen. Das macht das Leben schwerer, aber es macht die CDU am
Ende stärker. Die einfachen Mitglieder kommen nicht in eine Partei,
um zu applaudieren.“
Die vor der Regierung beschlossene Steuersenkung bezeichnete der
Umweltminister als „o.k., zumal in unserer Koalition einer der beiden
Partner größten Wert darauf legt“. Zugleich mahnte er jedoch davor,
„auf Kosten der nächsten Generationen zu leben; das gilt für die
Finanzen, aber auch für unsere Umwelt und unsere Ressourcen“, sagte
Röttgen dem stern. „Wenn wir den CO2-Ausstoß nicht verringern, laufen
wir auf eine Ökokrise zu, wie wir auf die Finanzkrise zugelaufen
sind. Es sind strukturell gleiche Krisen: Gegenwartsexzesse auf
Kosten der Zukunft.“
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stern-Autor
Andreas Hoidn-Borchers
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