Ex-Finanzminister Steinbrück spätestens ab Mai 2009
informiert / Cum-Ex sei „kein Steuerskandal, sondern ein politisches
Versagen“
Berlin, 20. März 2019 – Der als Architekt der berüchtigten
Cum-Ex-Deals bekannt gewordene deutsche Steueranwalt Hanno Berger hat
in seinem Schweizer Exil erstmals ausführlich öffentlich Stellung zu
den umstrittenen Aktiengeschäften bezogen, die allein den deutschen
Staat mehrere Milliarden Euro an Steuereinnahmen gekosten haben
sollen. In einem Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin –Capital– wies
Berger alle Anschuldigungen von sich, räumte aber ein, er könne die
öffentliche Empörung über die Geschäfte verstehen: „Ich wäre ja
völlig uneinsichtig, wenn ich die Empörung nicht verstehen würde –
als Staatsbürger kann ich mich darüber sogar auch empören“, sagte
Berger in dem –Capital—Interview (Ausgabe 4/2019, EVT 21. März).
Allerdings sei Cum-Ex „kein Steuerskandal, sondern ein politisches
Versagen – und das ist der Skandal. Das Steuerrecht ist so angewendet
worden, wie es vom Gesetzgeber beschlossen wurde.“ Wenn sich Menschen
heute über die Geschäfte aufregten, sollten sie sich „bitte an die
Abgeordneten in Berlin und das Finanzministerium wenden“.
Konkret beschuldigte er den früheren Finanzminister Peer
Steinbrück (SPD), über die Deals spätestens ab Mai 2009 informiert
gewesen zu sein, aber nichts dagegen unternommen zu haben: „Ich habe
hier eine Ministervorlage aus dem Mai 2009. Daraus geht klar hervor,
dass ihn seine Beamten über die Praxis dieser Geschäfte informiert
haben.“
Berger ist eine Schlüsselfigur im so genannten Cum-Ex-Skandal, der
als einer größten Steuerskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte
gilt. Mehrere Staatsanwaltschaften bereiten gegen den Anwalt, der
heute in der Schweiz lebt, in Deutschland Anklagen wegen schwerer
Steuerhinterziehung vor. Ihm wird vorgeworfen, bei den komplizierten
Aktiengeschäften rund um den Dividenden-Stichtag deutscher
Aktien-Unternehmen Banken und Börsenhändler maßgeblich geholfen zu
haben. Die Geschäfte führten dazu, dass sich theoretisch mehr
Aktien-Besitzer die Kapitalertragssteuer auf Dividenden vom Fiskus
erstatten lassen konnten, als es überhaupt Aktien des Unternehmens
gab. Die Geschäfte waren spätestens seit dem Jahr 2002 einem größeren
Kreis von Experten bekannt, dennoch brauchte die Bundesregierung bis
Ende 2011, um die Geschäfte endgültig zu stoppen. Experten schätzen
den Schaden durch Cum-Ex-Aktien-Geschäfte allein in Deutschland auf
bis zu zwölf Mrd. Euro, europaweit gar auf bis zu 55 Mrd. Euro.
Berger verteidigte die Geschäfte nicht nur als legal, er bestritt
auch die Höhe des geschätzten Steuerschadens für den deutschen
Fiskus. „Die Zahlen sind alle nicht bewiesen“, sagte Berger. Das
Bundesfinanzministerium habe bis heute keine genaue Abfrage bei den
Finanzämtern über die gezahlte und erstattete Kapitalertragsteuer
gemacht, obwohl dies leicht möglich sei. „Es ist auch viel leichter,
vom großen Steuerraubzug zu fantasieren und gierige Banker und
Anwälte wie mich an den Pranger zu stellen.“
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