Längere Abgabefristen, automatisierte
Bearbeitung von Steuerfällen oder der elektronische Steuerbescheid:
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, dem
der Bundesrat am 17. Juni 2016 zugestimmt hat, sollen die
Finanzbehörden effizienter werden. Was das für Steuerzahler bedeutet
und wie die Neuerungen einzuschätzen sind, zeigt der
Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH) in einem
Überblick.
Bis 2022 soll das neue Besteuerungsverfahren umgesetzt werden,
doch viele Änderungen treten schon ab 1. Januar 2017 in Kraft. Hier
das Wichtigste in Kürze:
1. Verschiedene Fallgruppen werden eingeführt
Die Finanzbehörden sollen besser, schneller und effektiver
arbeiten können. Ein Baustein des neuen Besteuerungsverfahrens ist
deshalb die Standardisierung von Arbeitsschritten: Steuerzahler
werden in Gruppen mit gleichen Merkmalen eingeteilt.
2. Ein Risikomanagementsystem (RMS) identifiziert die
verschiedenen Fallgruppen
Durch ein RMS werden Steuerfälle künftig automatisch
klassifiziert. Besonders einfache Steuerfälle sollen nicht mehr durch
einen Finanzbeamten geprüft, sondern automatisch bearbeitet werden.
Dadurch soll den Beamten mehr Zeit für „prüfungsbedürftige“ Fälle
bleiben. Die Finanzämter arbeiten zwar bereits mit einem solchen
System, was allerdings noch nicht vollautomatisch läuft. Doch genau
das ist künftig das Ziel: ein automatisierter Prozess von der
Bearbeitung bis zum Bescheid. Dadurch sollen unter anderem
Betrugsfälle leichter aufgedeckt sowie die persönliche
Fallbearbeitung durch standardisierte Arbeitsabläufe optimiert
werden.
Jörg Strötzel, der Vorstandsvorsitzende der VLH, sagt dazu: „Vor
allem die Steuererklärungen sollen automatisiert bearbeitet werden,
bei denen es eher um wenig Geld geht. Das betrifft in der Regel
Arbeitnehmer und Rentner, die meist auf steuerliche Erstattungen
hoffen. Weil aber bei automatisierten Prozessen die Gefahr besteht,
dass individuelle Steuervorteile unter den Tisch fallen, sollten
gerade diese Steuerzahler bei der Erstellung ihrer Steuererklärung
einen Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater zu Rate ziehen.“
3. In diesen Fällen prüfen die Finanzbeamten einen Steuerfall
persönlich
– Wenn der Steuerpflichtige eine Anfrage zur Überprüfung
bestimmter Sachverhalte oder Rechtsfragen hat.
– Wenn der Steuerpflichtige eine andere Auffassung vertritt als
die Finanzverwaltung.
– Wenn der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Textfeld
die persönliche Bearbeitung beantragt.
4. Die Abgabefrist für die Steuererklärung verlängert sich um zwei
Monate
Jeder, der seine Steuererklärung selbst erstellt, kann sich dafür
künftig zwei Monate mehr Zeit lassen. Bislang galt der 31. Mai als
Abgabetermin für die Steuererklärung aus dem Vorjahr; künftig ist es
der 31. Juli.
Das gleiche Prinzip gilt auch für die Profis, also Steuerberater
und Lohnsteuerhilfevereine: Sie haben ab 2018 theoretisch Zeit bis
zum letzten Februar-Tag des Zweitfolgejahres, um die Steuererklärung
ihrer Mandanten bzw. Mitglieder einzureichen. Gleichzeitig sind
Steuerberater und Lohnsteuerhilfevereine künftig verpflichtet, die
Daten ihrer Mandanten bzw. Mitglieder bis zu sieben Jahre lang
aufzubewahren. Diese Regeln sind Teil des neuen Paragrafen 93c Abs. 1
AO. Darin sind alle Vorschriften und Pflichten zur Datenübermittlung
von Steuerpflichtigen durch Dritte zusammengefasst.
VLH-Vorstandsvorsitzender Jörg Strötzel: „Eine gute Entscheidung –
sowohl für denjenigen, der seine Steuererklärung selbst macht, als
auch für die Profis. Um unnötigen Ärger und Kosten zu vermeiden,
sollte die Steuererklärung stets möglichst frühzeitig gefertigt und
abgegeben werden.“
5. Belege müssen nicht mehr eingereicht, aber aufbewahrt werden
Künftig müssen Rechnungen und Belege beim Finanzamt nur noch auf
Nachfrage eingereicht werden. Das bedeutet, dass jeder seine
Nachweise zu Hause aufbewahren muss, nämlich zwei Jahre. Jörg
Strötzel: „Um eine möglichst schnelle Bearbeitung der Steuererklärung
sicherzustellen, sollte man besonders in Erstattungsfällen zusammen
mit der Erklärung auch die Belege weiter einreichen.“
Für Spenden ist eine Sonderregel geplant: Gemäß § 50 Abs. 2, 8
EStDV-Entwurf müssen Spendenquittungen ab dem 31. Dezember 2016
überhaupt nicht aufbewahrt werden, wenn der Zuwendungsempfänger die
notwendigen Informationen über ein geplantes, elektronisches
Verfahren direkt an das Finanzamt meldet.
6. Die Bedingungen für eine Fristverlängerung werden verschärft
Künftig ist eine Fristverlängerung nur noch in Ausnahmefällen
möglich und muss schriftlich begründet werden.
7. Änderungen beim Verspätungszuschlag
Wer seine Steuererklärung verspätet abgibt, muss in der Regel 0,25
Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens aber 25 Euro pro
verspätetem Monat zahlen. Die maximal zulässige Höhe des
Verspätungszuschlags bleibt bei 25.000 Euro.
Grundsätzlich entscheidet nicht mehr das Finanzamt, wann ein
Verspätungszuschlag fällig ist; vielmehr wird der Prozess
automatisiert: Jeder muss einen Verspätungszuschlag zahlen, der seine
Steuererklärung nicht innerhalb von 14 Monaten nach Ablauf des
Besteuerungszeitraums abgibt. Das Gleiche gilt für Steuerzahler, die
von der Finanzbehörde aufgefordert werden, ihre Steuererklärung
vorzeitig abzugeben, und den genannten Termin versäumen.
Nur noch in Ausnahmefällen liegt die Festsetzung eines
Verspätungszuschlags im Ermessen des Finanzamts – nämlich, wenn…
– … eine Verlängerung der Abgabefrist durch die Finanzbehörde
erfolgt.
– … die Steuer auf null Euro festgesetzt wird.
– … eine Steuererstattung erfolgt.
– … die festgesetzte Steuer nicht die Summe der anzurechnenden
Steuerabzugsbeträge und der festgesetzten Vorauszahlungen
übersteigt.
Die Änderungen zum Verspätungszuschlag sollen für
Steuererklärungen gelten, die nach dem 31. Dezember 2017 eingereicht
werden.
Jörg Strötzel: „Diese Regelung macht eine verspätete Abgabe von
Steuererklärungen besonders teuer. Nicht nur der Verspätungszuschlag
wird ab dem 15. Monat festgesetzt, auch die Verzinsung nach § 233 a
AO beginnt ab dem 15. Monat. Eine späte Abgabe der Steuererklärung
kostet dann schnell zusätzlich. Je früher die Steuererklärung daher
gefertigt und abgegeben wird, desto konfliktfreier ist dies.“
8. Steuerberater oder Lohnsteuerhilfevereine müssen Fehler
umgehend korrigieren
Künftig sind Steuerberater bzw. Lohnsteuerhilfevereine dazu
verpflichtet, neue Datensätze zu übermitteln, sobald sie erkennen,
dass sie fehlerhafte bzw. falsche Daten zu ihren Mandanten bzw.
Mitgliedern übermittelt haben. Dadurch sollen Steuerbescheide, die
auf fehlerhaften oder falschen Daten basieren, zügiger geändert
werden können.
9. Steuerbescheide wird es künftig auch online geben
Das ELSTER-Verfahren zur elektronischen Abgabe der Steuererklärung
wird ausgebaut. So soll es künftig möglich sein, dass ein
Steuerpflichtiger – seine Zustimmung vorausgesetzt – den eigenen
Steuerbescheid online einsehen kann. Das gilt auch für seinen
Steuerberater bzw. Lohnsteuerhilfeverein.
Über die VLH
Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH)
ist mit mehr als 850.000 Mitgliedern und rund 3.000 Beratungsstellen
Deutschlands größter Lohnsteuerhilfeverein. Die VLH stellt außerdem
die meisten nach DIN 77700 zertifizierten Berater: Von drei
zertifizierten Beratern aller Lohnsteuerhilfevereine sind zwei von
der VLH. Gegründet im Jahr 1972, erstellt die VLH für ihre Mitglieder
die Einkommensteuererklärungen im Rahmen der gesetzlichen
Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG.
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Christina Georgiadis
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