Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Situation der Landwirte

Der Literatur-Nobelpreisträger Peter Handke hat Ende der
sechziger Jahre in deutschen Theatern mit seiner „Publikumsbeschimpfung“
Erfolge gefeiert. Manches, was vor allem in jüngster Zeit aus der Landwirtschaft
nach außen dringt, klingt ähnlich. Dabei hat die Mehrheit der Bauern gewiss im
Blick, dass das Publikum in ihrem Fall zugleich die eigene Kundschaft ist.
Jeder Mensch muss essen. Aber was er zu sich nimmt, ob Fleischliches oder
Veganes, aus ökologischem Anbau oder aus billiger Massenproduktion, ob aus
deutscher oder ausländischer Produktion: Das entscheiden die Verbraucher immer
noch selbst. Und trotzdem: Ein bisschen mehr Verständnis für die Situation in
der Landwirtschaft, auch der konventionellen, dürfen die Bauern uns
Konsumenten schon abverlangen. Am Montag gegen Glyphosat, am Dienstag gegen
Massentierhaltung, am Mittwoch gegen die Nitratbelastung im Grundwasser, am
Donnerstag gegen das Kupieren von Schweineschwänzen und am Freitag gegen die
Ferkelkastration zu demonstrieren, am Samstag aber im Supermarkt wieder einmal
nach dem billigsten Hackfleisch zu greifen, das ist wohlfeil. Und noch etwas:
Wenn Krankenschwestern, Straßenbahnführer und Metallarbeiter auf die Straße
gehen und mehr Lohn fordern, dann können sie zumindest auf ein gewisses
Verständnis hoffen. Das Gleiche sollte auch für Landwirte gelten. Immer mehr
Auflagen und immer mehr Bürokratie und Kontrollen führen am Ende dazu, dass
immer mehr Landwirte ihre Höfe schließen. Damit droht in Deutschland keine
Hungersnot. Aber spätestens wenn der letzte Hof hierzulande aufgegeben ist,
werden die Verbraucher und die Politiker registrieren müssen, dass ihre
Proteste und Gesetze in Spanien, den USA oder gar China keinen wirklich
interessieren. Wie sehr es vor allem unter den jungen Landwirten gärt, war 2019
bei mehreren Großdemonstrationen spürbar. Das Echo darauf war groß und
überwiegend positiv – so gut, dass auch die Kanzlerin davon Wind bekam und zu
einem Agrargipfel geladen hat. Diese Chance sollten die Vertreter der
Bauernschaft, zu denen auch die neue Bewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV)
gehört, nutzen. Die derzeitige Zersplitterung, die in den vergangenen Wochen
auch schon zu Streit im LsV geführt hat, ist weder dem Ansehen noch dem Anliegen
der Bauern zuträglich.

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