„DER STANDARD“-Kommentar: „Mehr Jobs sind nicht genug“ von Andreas Schnauder

Es tut sich was am österreichischen Arbeitsmarkt. Ja,
die
Arbeitslosigkeit steigt, was ganz eindeutig belegt, dass die
Eurokrise vor wirtschaftlich robusteren Staaten nicht haltmacht.
Aber: Die Beschäftigung nimmt ebenfalls zu, sie befindet sich sogar
auf Rekordniveau. Die gegenläufigen Trends sind kein Widerspruch.
Sie zeigen vielmehr, dass nur gewisse Qualifikationen und Lohnhöhen
nachgefragt werden. Schlechte Ausbildung von Arbeitslosen und mäßige
Mobilität verhindern, dass sie die offenen Stellen besetzen können.

Ein näherer Blick in die Arbeitslosenstatistik für den August gibt
weder zu Panik noch zu Jubel Anlass. Die hohe Beschäftigung
resultiert vor allem aus dem Zuzug von Osteuropäern, für die die
Zugangshürden gefallen sind. Auch Frauen drängen verstärkt auf den
Arbeitsmarkt. Beide Gruppen treffen in starkem Ausmaß auf offene
Stellen, was zu einem Zuwachs von 54.000 aktiven Personen im
Jahresvergleich führte. Das ist ein erfreuliches Zeichen, nicht nur
für jeden einzelnen Betroffenen, sondern auch für die arg
strapazierten Sozialkassen, allen voran die Pensionsversicherung.
Und das hilft wiederum dem Budget, wird doch das riesige Finanzloch
der öffentlichen Pensionskasse durch Staatsgelder gestopft.

Noch eine These wird von den neuen Daten gestützt. Die
Beschäftigung Älterer ist weiter gestiegen, ohne dass sich deshalb
die Jobchancen Jüngerer verschlechtert hätten. Dagegen wird ja oft
der Mythos verbreitet, dass ein späterer Pensionsantritt zulasten der
Neueintretenden am Arbeitsmarkt gehe. Das lässt sich weder anhand
internationaler noch nationaler Beispiele belegen, sind doch bei
neuen Jobs meist ganz andere Qualifikationen gefragt.

Problematischer wird hingegen die Situation für Ältere, wenn sie
einmal ihren Job verloren haben. Das steinerne Senioritätsprinzip
und hohe Kündigungsbarrieren verhindern eine Reintegration in den
Arbeitsmarkt. Deshalb wäre es höchst an der Zeit, die Gehaltskurve
abzuflachen – soll heißen: mehr Geld am Karrierebeginn und im
Gegenzug weniger automatische Vorrückungen.

Unter dem Strich sollten die Arbeitsmarktdaten unaufgeregt, aber
ernst rezipiert werden: Die Krise wird nicht spurlos an Österreich
vorbeiziehen; gerade der Abbau von Leiharbeitern deutet auf
Präventivmaßnahmen der Industrie hin. Arbeitszeitverkürzung, wie
zuletzt von AMS-Chef Herbert Buchinger gefordert, wäre jetzt
freilich ein fatales Signal. Die Lohnstückkosten sind seit 2008
wieder stärker gestiegen als im EU-Schnitt, ein weiterer Verlust an
Wettbewerbsfähigkeit würde sich erst recht negativ auf die
Beschäftigung auswirken.

Mit einem anderen Klischee sollte freilich auch langsam aufgeräumt
werden. Die Goldmedaille, die wir uns mit niedrigster
Arbeitslosigkeit in der EU gerne umhängen, hat Österreich nicht
verdient. Überlange Studienzeiten und die „Entlastung“ des
Arbeitsmarktes durch die Frühpension sind Indikatoren dafür, dass
die Statistik geschönt ist. Kürzere Dauer der Studien (in
aussichtsreicheren Zweigen) würde nicht nur den Betrieben, sondern
auch den Universitäten helfen. Längeres Erwerbsleben ist
unabdingbar, will man drohende Leistungskürzungen oder
Beitragserhöhungen vermeiden.

Die Arbeitslosigkeit würde deshalb mittelfristig wohl kaum
steigen. In Sachen Ehrlichkeit aber wäre man einen großen Schritt
weiter.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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