Ein kurzfristiger Verzicht auf alle Atomkraftwerke
binnen weniger Jahre ist nach Ansicht von Stephan Kohler, Chef der
Deutschen Energie-Agentur (Dena), nicht möglich. „Ich halte einen
raschen Ausstieg nicht für machbar“, sagte er dem Berliner
„Tagesspiegel“ (Samstagausgabe). Er habe „Bauchschmerzen“, wenn die
Leute, die vor kurzem noch die Laufzeit-Verlängerung durchgesetzt
hätten, nun einen Ausstieg 2014 oder 2015 propagierten. „Es sind
zunächst immense Investitionen nötig – in neue, fossile Kraftwerke,
in neue Leitungsnetze und Speichertechnologien. Das geht nicht von
heute auf morgen“, befand Kohler. Erst 2020 oder 2022 könne man auf
die Atommeiler verzichten. Die Dena ist eine Agentur, die vom Bund
und von der Finanzwirtschaft getragen wird und die Energieeffizienz
sowie erneuerbare Energien fördern soll.
Kohler kritisierte Berechnungen des Umweltbundesamtes und des
Umwelt-Sachverständigenrates, denen zufolge ein Ausstieg schon 2017
oder gar 2015 möglich sein soll. „Wir müssten alte, schmutzige
Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen. Oder Atomstrom aus den
Nachbarländern importieren. Das ist widersinnig.“ Bei den Gutachten
würden Netzausbau und Systemstabilität außer Acht gelassen. „Dabei
ist das Netz der Flaschenhals.“ Nötig seien 4500 Kilometer neue
Stromtrassen und bis zu 12000 Megawatt neuer, fossiler Kraftwerke.
Kohler sagte, konventionelle Kraftwerke seien „auch noch 2030 und
2050 unverzichtbar“. Strom aus Sonne und Wind sei nicht immer
verfügbar. „Für die Lücke sind konventionelle Kraftwerke nötig, die
man schnell hoch- und runterfahren kann. Die Bürger und die Fabriken
wollen ja rund um die Uhr Strom haben.“ Der Umbau der
Energieversorgung wird seiner Ansicht nach dazu führen, dass die
Stromkosten für die Energieerzeugung um bis zu 1,5 Cent je
Kilowattstunde teurer würden. „Wir sollten den momentanen Schwung
nutzen, um den Wandel hin zu mehr Energieeffizienz und erneuerbaren
Energien in der Gesellschaft zu verankern“, verlangte er.
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