Berlin – Die neue deutsche Richterin am
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Angelika
Nußberger, hat das jüngste Urteil des Gerichts gegen Deutschland zum
Umgangsrecht unverheirateter Väter mit ihren Kindern verteidigt. „Neu
ist jetzt, dass biologische Väter stärker in den Blick genommen
werden. Man war bisher sehr auf den Schutz der Mutter konzentriert“,
sagte Nußberger dem Berliner „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe).
Familienrecht sei sehr dynamisch, es gebe viele unterschiedliche
Interessen, die in sensibler Weise zum Ausgleich gebracht werden
müssten. „Der EGMR hat hier immer schon eine wichtige Rolle
gespielt.“ Die Kölner Verfassungs- und Völkerrechtlerin warnte
allerdings, die Rechtsprechung des Gerichtshofs könne innovative
Kraft haben, dürfe sich aber „nicht vom gesellschaftlichen Konsens
lösen“.
Nußberger befürwortet die aktuelle Reform der
Sicherungsverwahrung, die auch durch ein EGMR-Urteil nötig geworden
war. „Dass der deutsche Gesetzgeber nunmehr tätig geworden ist, sehe
ich als gutes Zeichen; auch in der Politik war schon länger klar,
dass die Regelung zur Sicherungsverwahrung nicht so bleiben konnte,
wie sie war“, sagte sie. Die Juristin zeigte sich zuversichtlich, die
Reform könne eine neue Prüfung in Straßburg überstehen: „Mein
Eindruck ist, der Gesetzgeber in Deutschland hat das EGMR-Urteil sehr
genau zur Kenntnis genommen“. 2011 erwartet die künftige Richterin,
die ihr Amt zum Januar antritt, eine europaweite Diskussion um den
Islam aufgrund eines anstehenden EGMR-Urteils zum Kruzifix an einer
staatlichen Schule in Italien. „Das Verfahren wird in ganz Europa und
zum Teil auch außerhalb Europas mit großem Interesse verfolgt. Die
Entscheidung könnte in Europa eine ähnliche Diskussion auslösen wie
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kruzifix 1995.“
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