Der Tagesspiegel: Shell-Chef greift Röttgen an – „E10 ist unser Stuttgart 21“

Der Mineralölkonzern Shell hat die Politik und die
Autobranche wegen der mangelnden Akzeptanz des Biokraftstoffs E10
angegriffen und erwartet enorme Folgekosten. „Wir haben unsere
Hausaufgaben gemacht. Von den anderen, die auf dem Benzingipfel
vertreten waren, hört und sieht man nicht viel“, sagte
Shell-Deutschlandchef Peter Blauwhoff dem Tagesspiegel
(Montagausgabe) in einem Interview. Insbesondere Bundesumweltminister
Norbert Röttgen (CDU) sehe er in der Pflicht. „E10 betrifft eine
breite Mehrheit der Bürger, und ich kann Herrn Röttgen nur
auffordern, sich ebenfalls tatkräftig um mehr Akzeptanz zu bemühen.
Es handelt schließlich sich um die Folgen seiner Gesetzgebung.“

Der Schaden sei bereits jetzt gewaltig, kritisierte Blauwhoff.
„Auf die Mineralölwirtschaft in Deutschland kommen dreistellige
Millionenbeträge als Strafzahlungen zu, von den Kosten der Umrüstung
ganz zu schweigen.“ Derzeit werde E10 ungefähr so viel verkauft wie
die herkömmlichen Benzinsorten mit einem Bioethanolanteil von nur
fünf Prozent, aber geplant habe man mit einem E10-Anteil von 90
Prozent. Damit sei es „ganz und gar unmöglich geworden, die Quote in
diesem Jahr zu erreichen“. Bis zum Jahresende muss der
durchschnittliche Bioethanolanteil der verkauften Kraftstoffe 6,25
Prozent betragen, sonst werden Strafzahlungen fällig.

Den Kunden ist nach Blauwhoffs Einschätzung inzwischen überwiegend
klar, ob ihr Auto E10 verträgt oder nicht. „Es geht nicht um Unwissen
allein, sondern auch um eine Protesthaltung“, sagte er. „Ich bin
verwundert. E10 ist unser Stuttgart 21. Eine Gesetzgebung ist
ordnungsgemäß durch alle demokratischen Schritte gegangen und wird
doch faktisch zu Fall gebracht.“ Diese Unsicherheit in Deutschland
sei ein Problem. „Eine solche Politik läuft Gefahr, als unzuverlässig
wahrgenommen zu werden.“ Aber auch die Autobranche sei gefragt, denn
sie müsse an E10 ein Interesse haben, um die von ihr geforderten
CO2-Grenzwerte zu erreichen.

Shell plane bisher nicht, die E5-Sorten in großem Stil
zurückzubringen, weil die Abkehr von E10 ökonomisch und ökologisch
falsch sei. „Bei unseren Mitbewerbern sehe ich teilweise erste
Signale in diese Richtung“, sagte Blauwhoff. Wegen der geleisteten
Investitionen sei dieser Weg aber für Shell „eigentlich keine
Option“. Es gebe Bestrebungen, „den Schwarzen Peter der
Mineralölwirtschaft zuzuschieben“, beklagte der Manager. „Sicher
wissen wir heute, dass wir manches anders oder früher hätten machen
sollen. Aber zur Wahrheit gehört doch auch: Wir reden hier über
Gesetzgebung, und da ist vor allem der Gesetzgeber gefragt, sich
rechtzeitig zu erklären und die Bürger zu überzeugen.“ Bedauerlich
finde er auch, dass der ADAC nicht ausreichend hinter E10 stehe.

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