Deutsche Chirurgen warnen vor Versorgungsstärkungsgesetz: Gesundheitsreform als riesige Mogelpackung / Nachteile und schlechtere Versorgung für Patienten

Der Berufsverband der deutschen Chirurgen warnt die
Politik eindringlich davor, das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz
in seinem bisherigen Entwurf beizubehalten. Die Versorgung der Bürger
wird hierbei eher geschwächt. Leidtragende sind die Patienten!

1. Thema Wartezeiten: die Praxis-Wartezeitenverkürzung ist eine
rein populistische Maßnahme. Wer nicht zeitnah einen Termin
bekommt, soll über die „Servicestelle“ einen Termin angeboten
bekommen. Die freie Arztwahl ist damit dann aber außer Kraft
gesetzt, weil dieser Arzt genommen werden muss. Nach vier
Wochen ohne Termin sollen Patienten sogar ambulant in einer
Klinik behandelt werden. Nur: wer soll den Patienten dort
behandeln? Der Oberarzt, der dringend auf Station gebraucht
wird? Zusätzliche Ärzte? Nichts steht im Entwurf wie, was,
durch wen finanziert werden soll. Die Kliniken selbst sind zum
Notfall geworden, haben nicht genug Personal, rund 50 Prozent
schreiben rote Zahlen, 30% stehen vor dem Aus!
2. Thema Facharzt-Standard: Der Facharztstandard kann nach dem
Gesetz-Entwurf in keiner Weise mehr gewährleistet werden. Die
von der Service-Stelle an ein Krankenhaus verwiesenen Patienten
hätten nicht einmal die Garantie, dass sie dort von einem
Facharzt behandelt werden. Dazu heißt es im Entwurf lapidar:
„Die Behandlung im Krankenhaus hat nicht zwingend durch Ärzte
mit einer abgeschlossenen Facharztweiterbildung zu erfolgen.“
3. Thema Zweitmeinung: die Politik wirbt für das Recht auf eine
medizinische Zweitmeinung. Dies ist nicht neu, jeder Patient
hat heute schon das Recht auf eine Zweitmeinung. Eine
Zweitmeinung erfordert Zeit und ist eine medizinische Leistung,
welche nur von Fachleuten erbracht werden kann. Dokumentation
und Honorierung müssen geregelt werden. Es muss vermieden
werden, dass der medizinische Dienst der Krankenkassen eine
Zweitmeinung anbietet. Denn der medizinische Dienst ist Partei
und nur allzu leicht könnten ökonomische Überlegungen im Sinne
der Kosteneinsparung in die Auskünfte eingehen.
4. Thema Abbau von Arztsitzen: die Politik will massiv Arztsitze
abbauen. In relativ kurzer Zeit würden 25.000 Praxen wegfallen.
Für die Patienten bedeutet dies weitere Wege, längere
Wartezeiten, Verlust ihres Vertrauens-Arztes, Einschränkung der
Arztwahl. Für die Ärzte bedeutet es einen staatlichen Eingriff
in die Eigentumsrechte. Wie soll die flächendeckende,
wohnortnahe Versorgung so gesichert werden?
5. Thema Medizinische Versorgungszentren: Um die Versorgung in der
Fläche zu gewährleisten, sollen die Gemeinden das Recht
erhalten, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu eröffnen.
Dieses Recht wurde jedoch den Kliniken längst schon
zugestanden. Finanzierung? Fehlanzeige! Nicht für die Kliniken
und schon gar nicht für die in entlegeneren Gebieten oft
finanzschwachen Gemeinden. Was dies auf Dauer für die Patienten
bedeuten würde ist nicht abzusehen. Mit freier Arztwahl oder
kürzeren Wartezeiten ist dann jedenfalls nicht mehr zu rechnen.

Einziger Ausweg aus dem Dilemma: eine wirklich gute
funktionierende Sektor übergreifende Versorgung – eine Verzahnung
zwischen ambulantem und stationärem Sektor. Niedergelassene Fachärzte
müssen eng mit ihren Kollegen in den Kliniken kooperieren, ohne
überflüssige Doppeluntersuchungen, zeitnah im Management. Der Patient
würde sich aufgehoben fühlen und nicht wie ein Ping-Pong-Ball über
sinnlose bürokratische Grenzen wechseln müssen.

Allein Patientenströme durch Gesetze lenken zu wollen, ohne die
erforderlichen strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, ist nicht
möglich! Ärzte und Politiker gehören an einen Tisch, wenn solch
wichtige Gesetze entworfen werden.

Pressekontakt:
Kathrin Reisinger

Pressesprecherin
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