DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V.:

Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges

06.09.2010 10:00
—————————————————————————

Gisbert Rühl, Vorsitzender des Vorstands/Vorstand Finanzen (CEO/CFO),
Klöckner&Co SE

“Den Anteil von Frauen als Erster zu erhöhen, wäre ein klarer
Wettbewerbsvorteil“

Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz

Beim Duisburger Stahlhändler Klöckner&Co SE liegen die Finanzen und der
Vorstandsvorsitz in einer Hand. Gisbert Rühl, der 2005 den Bereich Finanzenübernahm,übt seit 2009 beide Funktionen in Personalunion aus. Mit einem
erfolgreichen Krisenmanagement gelang es ihm, Klöckner&Co. nach dem
starken Absatzeinbruch der vergangenen Krisenjahre wieder auf den
Wachstumspfad zurückzubringen. Im Interview mit dem Finanzplatz schildert
Gisbert Rühl, wie Klöckner&Co die Wirtschaftskriseüberwunden hat, lehnt
eine Frauenquote für Führungskräfte ab und nimmt Stellung zu der Frage nach
der Visibilität kleinerer und mittlerer Unternehmen.

Interview

Herr Rühl, es heißt, dass jede Krise auch Chancen bietet. Haben Sie die
Chancen Ihres Unternehmens verwirklicht, indem Sie dieses Jahr die Becker
Stahl-Service- und die Bläsi-Gruppe gekauft haben? Wie ist die Integration
der beiden Unternehmen gelungen?

Für uns hat die Krise in der Tat zwei Seiten. Auf der einen Seite hatten
wir mit einem dramatischen Absatzeinbruch zu kämpfen. Auf der anderen Seite
wollten wir aber nicht in der Krise verharren und erstarren, sondern auch
unsere Chancen nutzen. Voraussetzung dafür war allerdings eine schnelle und
konsequente Reaktion in drei Richtungen: Senkung der Kosten, Sicherung der
Finanzierung und Abbau der Verschuldung. Im nächsten Schritt haben wir
unsere Kapitalbasisüber eine Kapitalerhöhung und eine Wandelanleihe
gestärkt, um für Akquisitionen präpariert zu sein. Durch die schnelle
Abarbeitung des Programms konnten wir bereits im Herbst durch dieÜbernahme
von Becker Stahl-Service und dann nachfolgend durch den Erwerb der Bläsi AG
in der Schweiz wieder auf Wachstum umschalten. Dabei war dieÜbernahme der
Becker Stahl-Service-Gruppe die größte unserer 21 Akquisitionen seit dem
Börsengang im Jahr 2006. Die Integration beider Unternehmen verlief
problemlos, auch weil die Verkäufer Vorteile für die Weiterentwicklung der
Unternehmen bei einer Integration in unsere Gruppe gesehen haben. Die
Ertragssituation insbesondere bei Becker Stahl-Service liegt imÜbrigen
weitüber dem Investment Case.

Im Nachhinein hat sich wieder einmal die Notwendigkeit des schnellen
Handelns bestätigt. Das schnelle Umschalten von Krise auf Wachstum oder
auch beides gleichzeitig wird eine der wesentlichen Herausforderungen für
alle Unternehmen in der Zukunft bleiben.

Finanziert haben Sie beideÜbernahmen mit Hilfe einer Kapitalerhöhung, die
Ende letzten Jahres stattgefunden hat. Reicht das Geld auch noch für die
dritte für dieses Jahr geplante Akquisition? Welche Vorteile bietet
Klöckner&Co SE die Eigenkapital- gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung?

Wir wollen aggressiv wachsen, aber konservativ finanzieren und dabei vor
allem in der langfristigen Finanzierung eine größtmögliche Unabhängigkeit
von den Banken erhalten. Daher werden wir unseren Kapitalbedarf für
Akquisitionen weiter mit einem Mix von Eigenkapital und
Kapitalmarktprodukten wie Wandelanleihen oder zuletzt Schuldscheindarlehn
unterlegen. Aktuell haben wir für weitere Akquisitionenüber 500 Mio. EUR
zur Verfügung. Auf der anderen Seite haben wir als lagerhaltender
Distributeur aufgrund der volatilen Preis- und Mengenentwicklung auch stark
schwankenden Kapitalbedarf, den wirüber Bankenfazilitäten undüber
verbriefte Produkte wie zum Beispiel Asset Backed Securities decken.
Wichtig ist uns hier aber auch eine weitgehende Unabhängigkeit von Banken,
die wirüber eine breite Diversifizierung verschiedener
Finanzierungsprodukte und durch ein geringes Klumpenrisiko sicherstellen.

Ende Mai haben Sie, wie schon im November 2009, vorÜberkapazitäten im
Stahlmarkt gewarnt, weil die Endnachfrage immer noch gering sei. Sehen Sie,
dass die Stahlproduzenten ihre Kapazitäten unterdessen zurückfahren? Wie
können Sie als Stahlhändler auf diese Situation reagieren?

Wir geben uns als Stahldistributor zwar nicht der Illusion hin, dass wir
das Verhalten der Hersteller beeinflussen könnten, aber wir haben leider
recht behalten. Seit dem Ende des zweiten Quartals sind die Preise wie von
uns vorausgesagt aufgrund des zu schnellen Hochfahrens vorübergehend
stillgelegter Produktionskapazitäten erneut spürbar unter Druck geraten.Über die Sommermonate haben einige Produzenten Kapazitäten wieder aus dem
Markt genommen. Dies kommt zwar spät, wird aber dazu führen, dass die
Preise weiter anziehen, sofern die Kapazitäten zunächst nicht wieder
angefahren werden. Da wir diese Entwicklung frühzeitig antizipiert hatten,
haben wir rechtzeitig durch die Anpassung der Lagerbestände reagiert.

Die Signale, die aus der Wirtschaft kommen, werdenüberwiegend als positiv
für die Konjunkturentwicklung eingeschätzt. Der Aluminiumproduzent Alcoa
z.B. hat in den USA bessere Zahlen als erwartet vorgelegt. Heißt das nicht,
dass es aufwärts geht, dass jetzt auch die Endnachfrage entsprechend
anzieht?

Das muss man sicherlich etwas differenzierter betrachten. Insgesamt haben
sich mit dem durch die Emerging Markets angetriebenen Welthandel
insbesondere exportorientierte Länder wie zum Beispiel Deutschlandüberraschend stark entwickelt. Dadurch profitieren vor allem für die
Stahlindustrie wichtige Industrien wie der Automobilbau, Haushaltswaren und
der Maschinen- und Anlagenbau. Andererseits ist der größte Stahlabnehmer
immer noch die Bauindustrie. Hier scheint zwar das Tal durchschritten,
dennoch kann man insgesamt in diesem Jahr noch nicht mit Wachstum rechnen.
Dies führt dazu, dass der reale Stahlverbrauch in Europa und Nordamerika im
laufenden Jahr nur geringfügig steigen wird und damit weiterhin deutlich
unterhalb der Vorkrisenjahre verbleibt. Selbst die durch die Aufstockung
der Lager entlang der gesamten Wertschöpfungskette stark ansteigende
gesamte Stahlnachfrage liegt noch erheblich darunter. D.h. es geht
aufwärts, aber die Krise ist noch nicht vorbei.

Auch wenn es mit der Wirtschaft langsam wieder bergauf geht, werden die
Folgen der Krise noch lange zu spüren sein. So haben die Politiker
angesichts der Krise gesagt, dass kein Akteur, kein Produkt und keine
Region des Finanzmarktes unreguliert bleiben dürfen. Wie beurteilen Sie die
bisherigen Versuche der Politiker, zukünftigen Krisen einen Riegel
vorzuschieben?

Meines Erachtens ist es aufgrund der enormen Komplexität der Kapitalmärkte
unmöglich und womöglich sogar gefährlich, diese in ein globales Regelwerk
zu pressen. Auch jegliche Art vonÜberreaktion, wie zuletzt das Verbot von
ungedeckten Leerverkäufen in Deutschland, ist fehl am Platz. Immerhin sind
mit der amerikanischen Finanzmarktreform erste Schritte auf den Weg
gebracht worden, die offensichtlich bereits zum Teil Wirkung zeigen, auch
wenn vielen dieÄnderungen nicht weit genug gehen. Auch die Banken selbst
werden dafür sorgen, Fehlentwicklungen zukünftig besser vorzubeugen und die
Risiken einzudämmen. Die vielfach verbreitete Meinung, dass hier
bedingungslos spekuliert wird, da der Staat im Zweifel helfen muss, teile
ich nicht. Die weitüberwiegende Zahl der Bankvorstände hat mit Sicherheit
kein Interesse, permanent an den Pranger gestellt zu werden, und man sollte
auch nicht jedem Banker unterstellen, dass er ein Spekulant sei.

Ein Thema, das in der breitenÖffentlichkeit auf viel Interesse gestoßen
ist, ist die Vielfalt (Diversity) von Vorständen und Aufsichtsräten. Der
Vorstand von Klöckner&Co. besteht aus zwei Personen. Was würde die
Einführung einer Frauenquote für Ihr Unternehmen bedeuten?

Die Einführung würde wahrscheinlich bedeuten, dass wir sie anfangs gar
nicht erfüllen könnten, da der Stahlhandel nicht unbedingt als eine der
attraktivsten Branchen für Frauen gilt. Es würde somit aufgrund des immer
noch begrenzten Angebots zu einer echten Wettbewerbsverzerrung führen.
Andererseits halte ich die Einführung einer Frauenquote für völligüberflüssig, da viele Unternehmen, wie auch wir, ohnehin bestrebt sind, den
Anteil von Frauen aufgrund ihrer spezifischen Fähigkeiten zu erhöhen. Es
wäre daher hilfreich, wenn sich die Politik aus dem Thema raushält und es
der Wirtschaftüberlässt. Sofern das Angebot ausreichend großist, ist dann
ein höherer Frauenanteil in Kürze selbstverständlich undüberhaupt kein
Thema mehr.

Andere Unternehmen haben angekündigt, zunächst einmal die Quote weiblicher
Führungskräfte zu erhöhen. Gibt es weibliche Mitarbeiter in
Führungspositionen bei Klöckner&Co.? Wie würde sich ein höherer Anteil
von Frauen in Führungspositionen auf Ihr Unternehmen auswirken?

Wir haben jetzt für die Leitung unseres Bereichs Führungskräfteentwicklung
eine Frau eingestellt, die insbesondere auch die Aufgabe hat, den Anteil
von Frauen auch auf der Führungsebene zu erhöhen. Wenn wir es als Klöckner&Co schaffen, in einer ansonsten von Männern dominierten Branche den
Anteil von Frauen aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten wie zum Beispiel
kommunikative Kompetenz und Empathie als Erster zu erhöhen, sehe ich das
als klaren Wettbewerbsvorteil. Man muss uns nur machen lassen. Wir brauchen
dazu wie gesagt keine Quoten und auch keinen sich immer weiter ausweitenden
Corporate Governance Kodex.

Die Managervergütung von börsennotierten Unternehmen wird aktuell auch in
einem Grünbuch der EU diskutiert. Eine Frage lautet, ob “Aktionäre, aber
auch die Beschäftigten und ihre Stellvertreter, bei der Gestaltung der
Vergütungspolitik eine wichtigere Rolle“ spielen sollten. Was halten Sie
von dieser Idee? Ist das angesichts der Besetzung deutscher Aufsichtsräte
bereits gelebte Realität?

Das Thema Managementvergütung ist ein neidgetriebener
Nebenkriegsschauplatz. Wir haben in Europa als Unternehmenslenker
eigentlich wichtigere Dinge zu tun, wie zum Beispiel die Schaffung von
Arbeitsplätzen, damit auch die Binnenkonjunktur wieder an Fahrt gewinnt.
Die wenigen Exzesse, die es hier auf Unternehmensebene gegeben hat, haben
das Thema völligüberzeichnet. Darüber hinaus haben Aktionäre und
Beschäftigteüber den Aufsichtsrat doch schon jetzt ausreichende
Möglichkeiten, auf die Vergütungsstrukturen Einfluss zu nehmen. Wenn man
einem Unternehmen wie Klöckner&Co vorsteht, das zu 100% im Besitz von
institutionellen Investoren und Privataktionären ist, muss man sich darüber
hinaus ohnehin auf jeder Roadshow auch ohne Regulierung und neue Gesetze
Fragen nach der Vergütungsstruktur und -höhe stellen.

Ein weiteres Thema, das die EU sich auf die Agenda geschrieben hat, ist die
Börsennotierung kleiner und mittlerer Unternehmen. So wird diskutiert, ob
nicht eine Verringerung der Transparenzpflichten dazu führen würde, dass
sich mehr Unternehmen an die Börse wagen. Sollten, Ihrer Meinung nach, für
KMUs andere Transparenzpflichten an den regulierten Märkten gelten als für
Großunternehmen?

Ein schwieriges Thema, da einerseits die Transparenzpflichten sicherlich
kleinere und mittlere Unternehmenüberfrachten, andererseits aber mangelnde
Transparenz und Kapitalmarktorientierung der Kapitalmarkt mit Missachtung
straft.

Was müsste Ihres Erachtens geschehen, damit mehr KMUs einen Börsengang
wagen?

Vielleicht ist der Kapitalmarkt für KMUs ohnehin nicht das richtige Umfeld,
da gerade bei kleinen Unternehmen zu viel Transparenz zum Beispiel auch
wettbewerbsschädlich sein kann. Möglicherweise sind hier andere
Kapitalgeber wie zum Beispiel Private Equity die bessere Alternative.

Auch die mangelnde Visibilität der KMUs an den Märkten wird beklagt. Können
Sie sich Maßnahmen des nationalen bzw. europäischen Gesetzgebers
vorstellen, die den KMUs zu mehr Visibilität z.B. bei den Analysten
verhelfen würden?

Die Wahrnehmung bei Analysten hört in Europa spätestens beim SDAX bzw.
TecDAX auf. Die Krise hat diesen Trend eher noch verstärkt, da auch Banken
massiv Analysten abgebaut haben. Der Analyst muss seine Analyse vermarkten
und ist davon abhängig, dass viele seiner Empfehlung folgen, und da ist der
Hebel bei größeren Unternehmen einfach größer. Das macht die IR-Arbeit bei
kleineren Unternehmen enorm schwierig. Regulatorisch kann man dem wohl kaum
sinnvoll entgegenwirken.

Herr Rühl, 27% der Aktien von Klöckner&Co. befinden sich in der Hand von
Privatanlegern. Welche Bedeutung haben Privatanleger für Ihr Unternehmen
bzw. Unternehmen im Allgemeinen?

Für uns sind die Privatanleger eine sehr wichtige Zielgruppe, da sie unsere
Besitzverhältnisse verstetigen. Wir sprechen unsere Privatanleger gezielt
an und halten sie zum Beispiel auch mit Video-Podcasts von mirüber
aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden. Das kommt sehr gut an.

06.09.2010 10:00 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht,übermittelt durch die DGAP – ein Unternehmen der EquityStory AG.
Für den Inhalt der Mitteilung ist der Emittent / Herausgeber verantwortlich.

Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche Meldepflichten,
Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen.
DGAP-Medienarchive unterwww.dgap-medientreff.deundwww.dgap.de—————————————————————————