Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges
04.11.2010 10:00
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Timotheus Höttges, Vorstandsmitglied Finanzen, Deutsche Telekom AG
–Gläserne Decke hindert Frauen am Aufstieg in Führungspositionen–
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Wenn es nach dem Willen der EU-Kommissarin für Telekommunikation und
Informationstechnologie geht, sollen bis 2013 alle Bürger der Union via
Breitband Zugang zum Internet haben. In Deutschland ist vor allem die
Deutsche Telekom gefordert, den Breitbandausbau voranzutreiben. Wie es um
die Breitbandversorgung hierzulande bestellt ist, welche Bedeutung Frauen
in Führungspositionen für Unternehmen haben und warum die Deutsche Telekom
eine Dividendenzusage für die nächsten drei Jahre abgegeben hat, erklärt
Timotheus Höttges, Finanzvorstand der Deutschen Telekom, in einem Interview
mit dem Finanzplatz.
Interview
Herr Höttges, die Telekom hat sich die flächendeckende Breitbandversorgung
auf die Fahnen geschrieben. Halten Sie das Ziel der EU, bis 2013 allen
Bürgern Breitbandzugang zu ermöglichen, in Deutschland für realistisch?
Wir arbeiten schon jetzt mit Hochdruck daran, Deutschland mit breitbandigem
Internet zu versorgen, nicht nurüber das Festnetz, sondern auch mobil.
Allein in diesem Jahr werden wir mehr als 1.000 weiße Flecken, also
Regionen ohne Breitbandanschluss, an das schnelle Internet anschließen. 500
davon werden wirüber die neue Mobilfunkgeneration LTE erschließen, also
mit mobilem Breitband. Für eine flächendeckende Versorgung Deutschlands
müssen aber auch andere Unternehmen ihren Beitrag leisten.
Vor allem leistungsstarke Glasfasernetze sollen den schnellen
Internetzugang ermöglichen. Die EU hat deutlich gemacht, dass
Regulierungsbehörden kleineren Anbietern den Zugang zu den Netzen
ermöglichen und die Leitungsmieten festlegen sollen. Was bedeutet dies für
die geplanten Investitionen der Telekom in die Glasfasernetze?
Die EU hat aber auch deutlich gemacht, dass es gewisse Investitionsanreize
geben soll. Hier sind die nationalen Regulierungsbehörden gefordert, für
investitions- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Wir
brauchen beispielsweise mehr Planungs- und Rechtssicherheit, was
Regulierungsauflagen betrifft. Zudem sollte der Regulierer nicht ganz
Deutschlandüber einen Kamm scheren, sondern den Breitbandmarkt regional
betrachten: Der Wettbewerb stellt sich in Ballungszentren wie Köln und
Hamburg ganz anders dar als in der Eifel. Und es muss möglich sein, dass
sich Wettbewerber das Risiko von Breitbandinvestitionen teilen können. Das
verstehen wir unter einer modernen Regulierung.
Bei den Festnetzen hat die Regulierung zu einer Marktöffnung und
niedrigeren Preisen für die Kunden geführt. Warum sollten die
Glasfasernetze anders reguliert werden als die Festnetze?
Die Glasfasernetze müssen zunächst einmal gebaut werden. Die EU selbst hat
die Kosten für den Glasfaserausbau auf mehr als 250 Mrd. EUR für ganz
Europa geschätzt. Unternehmen, die sich dort engagieren, brauchen
Investitionsanreize und Sicherheit. Wenn die bisherige Regulierung der
alten Festnetze einfach nur auf die neuen Glasfasernetzeübertragen würde,
könnte Europa seinen Rückstand im Vergleich zu den USA und einigen
asiatischen Staaten nicht aufholen.
Die Kosten für den Ausbau der Glasfasernetze in Deutschland werden von der
EU-Kommission auf ca. 40 bis 50 Mrd. EUR geschätzt. Wie würde die Telekom
einen solchen Ausbau finanzieren?
Die Deutsche Telekom wird den Ausbau in Deutschland nicht allein stemmen.
Denn bei einem Marktanteil von 50% werden wir nicht zu 100% ausbauen. Aber
natürlich engagieren wir uns beim Breitbandausbau in Deutschland, nicht nur
im Festnetz, sondern auch – wie schon gesagt -über die neue
Mobilfunkgeneration LTE. Wir leisten unseren Beitrag zum Breitbandausbau,
auch und gerade in den unterversorgten Regionen.
Neben dem klassischen Telefoniegeschäft will sich die Telekom jetzt auch
neue Geschäftsfelder wie mobiles Internet und die Vernetzung des
Gesundheitswesens erschließen. Darüber hinaus soll der Aufbau von
intelligenten Stromnetzen und Stromzählern zu einem neuen Aufgabenbereich
der Telekom werden. Was prädestiniert ein Unternehmen wie die Telekom
dafür, sich diesem Bereich zuzuwenden? Ist in diesem Bereich mit dem Zukauf
von spezialisierten Unternehmen zu rechnen?
Basis aller neuen Geschäftsfelder – Mobiles Internet, Vernetztes Fahrzeug,
Vernetztes Gesundheitswesen, Intelligente Stromnetze und -zähler – sind
Kommunikationsnetze, also das Kerngeschäft der Deutschen Telekom. Wir haben
in all diesen Feldern bereits konkrete Projekte oder Produkterfahrung.
Damit wollen wir frühzeitig Wachstumschancen erschließen und uns auf
Zukunftsmärkten positionieren. Größere Akquisitionen sind nicht geplant.
Aber bei möglichen kleineren Zukäufen halten wir die Augen offen.
Obwohl die Konjunktur in den letzten Monaten positive Signale ausgesandt
hat, ist derÜbernahmemarkt in Deutschland noch nicht richtig wieder in
Gang gekommen. Wie erklären Sie sich das? Sind die Kapitalmarktbedingungen
in Deutschland schlechter als in anderen Ländern?
Generell ist die reduzierte Aktivität auf dem M&A-Markt – verglichen mit
dem Stand 2007 – sicherlich der Ausdruck einer Spätzyklik von M&A.
Verstärkte Aktivität ist in der Regel erst in der Phase einer nachhaltigen
konjunkturellen Erholung und Stabilisierung des Finanzmarktumfeldes zu
verzeichnen. Wir befinden uns aktuell in der Frühphase eines
konjunkturellen Aufschwungs – mit den bekannten Risiken eines Double Dip
und einem nach wie vor volatilen Kapitalmarktumfeld. Von besonderen
Bedingungen im deutschen Kapitalmarkt würde ich in diesem Kontext nicht
sprechen, das ist eher ein globales Phänomen. Allgemein wird im M&A-Markt
im kommenden Jahr mit einer Trendumkehr gerechnet. Was die Deutsche Telekom
angeht, so ist unsere M&A-Aktivität nur bedingt umfeldgetrieben. Wir
richten uns strikt nach unseren strengen wirtschaftlichen und strategischen
Kriterien.
Die Eigenkapitalregeln für die Banken werden geändert. Die Banken warnen
davor, dass die neuen Regeln dazu führen werden, dass das
Kreditvergabevolumen sinken wird. Teilen Sie diese Befürchtung? Sind Ihrer
Meinung nach die neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken angemessen?
Angemessene Solvency-Regeln bilden aus unserer Sicht die Grundlage für eine
funktionierende und gesunde Bankenlandschaft. Bei der Ausgestaltung der
Regelungen muss jedoch sichergestellt werden, dass Banken handlungsfähig
bleiben und ausreichende Kreditvergabemöglichkeiten besitzen.
Andere fürchten, dass Banken zukünftig mit den anderen Unternehmen in
direkte Konkurrenz um die Investoren auf dem Kapitalmarkt treten werden, um
sich mit Eigenkapital zu versorgen. Kann dies ein Problem werden? Hat sich
nach der Krise die Bedeutung des Kapitalmarktes für die
Unternehmensfinanzierung gewandelt?
Die Stärkung der Eigenkapitaldecke mittels Kapitalerhöhung war in den
vergangenen Jahren bei den deutschen Konzernen eher die Ausnahme, insofern
ist hier keine Konkurrenz abzusehen. Zudem sind Banken und Unternehmen zwei
verschiedene Branchen, sie sprechen unterschiedliche Investorengruppen an
und bieten deutlich unterschiedliche Risikoprofile. Aus Sicht der Deutschen
Telekom bieten die internationalen Fremdkapitalmärkte heute wie auch schon
vor der Finanzmarktkrise die wichtigste Refinanzierungsquelle. Allerdings
gibt es am Fremdkapitalmarkt tatsächlich eine gewisse Konkurrenz durch
Bankenrefinanzierungen. Jedoch bieten in dieser Situation unsere
Unternehmensanleihen den Investoren auch eine willkommene
Diversifikationsmöglichkeit.
Das Vertrauen in die Arbeit der Ratingagenturen ist im Zuge der Krise ins
Wanken geraten. Adidas, SAP, Evonik, Air France u.a. haben unterdessen
erfolgreich Anleihen ohne Rating begeben. Ist die Kritik an den
Ratingagenturen gerechtfertigt? Was halten Sie von dem Trend, Anleihen ohne
Rating zu emittieren?
Es ist sicher richtig: Die Ratingagenturen selbst haben durch die nicht
immer korrekten Einstufungen von strukturierten Finanzprodukten und durch
unverständliche Ratingaktionen einen Anteil an einem gewissen Wertverfall
der Ratings. Dennoch bleiben Ratings eine wichtige Orientierungshilfe für
Investoren. Für ein Unternehmen wie die Deutsche Telekom mit gut 40 Mrd.
EUR Finanzverbindlichkeiten ist es keine Option, auf ein Rating zu
verzichten, da bei vielen Investoren wegen interner Regularien Investments
in nicht geratete Unternehmen stark eingeschränkt oder sogar unzulässig
sind – unabhängig davon, ob ihr internes Research die Einschätzung der
Ratingagenturen teilt. Dass Unternehmen, die eine gute –name recognition–
(Bekanntheitsgrad) haben und sich nur sporadisch am Anleihemarkt zeigen,
auf ein Rating verzichten, ist hingegen oft beobachtete Marktpraxis.
Die Telekom hat eine Frauenquote von 30% für das höhere Management
eingeführt. Wieso braucht ein Unternehmen wie die Telekom eine solche
Quote? Warum sind trotz einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft von 2001
Frauen immer noch nicht stärker in Führungspositionen vertreten?
Wir brauchen mehr Vielfalt im Management, nicht nur aus Gründen der
gesellschaftlichen Fairness, sondern auch mit klarem Blick auf die
wirtschaftlichen Implikationen. Viele Studien belegen, dass Unternehmen mit
hohem Frauenanteil im Management produktiver und innovativer sind. Es wäre
schlicht fahrlässig, wenn wir dieses Potenzial nicht nutzen würden.
Außerdem müssen wir unseren Talentmarkt ausweiten, um nicht in die drohende
Fachkräftelücke zu laufen. Unsere jahrelangen Maßnahmen zur Frauenförderung
waren redlich und gut gemeint, der durchschlagende Erfolg blieb wie in
allen großen Unternehmen leider aus. Seit 2001 haben wir uns im
–Promillebereich– fortbewegt, was die Beteiligung von Frauen an
Führungsverantwortung betrifft. Offenkundig hindert eine –gläserne Decke–
Frauen am Aufstieg in Führungspositionen. Diese –gläserne Decke– muss
eingerissen werden, und dafür ist die Frauenquote eine konsequente und
verbindliche Antwort.
Sie haben gesagt, dass die Krise auch neue Gestaltungsspielräume für
Finanzvorstände schaffe. Wie hat sich unter dem Eindruck der Krise Ihre
Arbeit verändert, und welche Lehren haben Sie aus der Krise gezogen?
Die Krise hat die Bereitschaft für notwendige Veränderungen in den
Unternehmen erhöht. Nachhaltigkeit in der Finanzierung hat aus meiner Sicht
in vielen Unternehmen deutlich an Gewicht gewonnen: Es kommt nicht darauf
an, bei der Fremdkapitalaufnahme den letzten Basispunkt bei den Konditionen
herauszuquetschen. Viel wichtiger ist es, angemessene Konditionen mittel-
und langfristig zu erreichen und jederzeit einen guten Zugang zum
Kapitalmarkt zu haben. Das war für uns bei der Deutschen Telekom schon
immer eine wichtige Handlungsmaxime. Diese nachhaltige Orientierung haben
wir im Bereich des Risikomanagements durch ein –Risiko-Cockpit– erweitert,
um mit leistungsfähigen Informationsstrukturen Risiken besser einschätzen
und damit schneller reagieren zu können.
Herr Höttges, die Deutsche Telekom ist Vorreiter im DAX mit einer
Dividendenaussage für die kommenden drei Jahre sowie gleichzeitig
angekündigten Aktienrückkäufen. Warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Es ist ein starkes Signal an die Investoren. 10 Mrd. EUR für die Aktionäre
in den kommenden drei Jahrenüber Dividenden und Aktienrückkäufe. Das
bedeutet: Wir gehen zuversichtlich in die Zukunft und wir werden die
Anleger angemessen am Unternehmenserfolg beteiligen. Das schafft Sicherheit
in unsicheren Zeiten. Gleichzeitig sind unsere Investitionen für die
Weiterentwicklung des Unternehmens im Rahmen der Finanzstrategie nachhaltig
gesichert. Und wir besitzen weiterhin den uneingeschränkten Zugang zum
Fremdkapitalmarkt. Die Deutsche Telekom bekennt sich also klar dazu, auch
künftig die Interessen aller Anspruchsgruppen – Investoren, Gläubiger,
Unternehmer und Mitarbeiter – zu berücksichtigen.
04.11.2010 10:00 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht,übermittelt durch die DGAP – ein Unternehmen der EquityStory AG.
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