DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges
Deutsches Aktieninstitut e.V.:
02.09.2011 / 10:00
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Andreas Schmitz, Sprecher des Vorstands, HSBC Trinkaus
–Die Finanzmärkte zwingen die Politik nun zum Handeln–
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Vor sieben Jahren wurde Andreas Schmitz zum Sprecher des Vorstands von HSBC
Trinkaus berufen. Im –Nebenamt– ist er seit mehr als zwei Jahren auch
Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, ein Job, um den er in
diesen turbulenten Zeiten wahrlich nicht zu beneiden ist. Im Interview mit
dem Finanzplatz spricht Schmitzüber die Stärken von HSBC Trinkaus, die
Gefahren der weiter schwelenden Staatsschuldenkrise und die Macht der
Ratingagenturen und Finanzmärkte.
Interview
Herr Schmitz, 2010 hat HSBC Trinkaus das beste Ergebnis seiner
Unternehmensgeschichte vorgelegt. Können Sie das 2011 noch steigern? In
welchen Bereichen wächst HSBC Trinkaus am stärksten?
Unsere Bank hat die Finanzkrise bisher hervorragend gemeistert, das
Rekordergebnis im vorigen Jahr spricht für unsere Stärke, aber auch für
unser Risikomanagement. Wir profitieren durchaus, weil uns viele Kunden
nicht nur als –safe harbour– neu entdecken, sondern auch unsere
internationale Konnektivität zunehmend schätzen lernen. Wir konnten im
ersten Halbjahr 2011 unseren Wachstumskurs fortsetzen und weitere
Marktanteile hinzugewinnen, das gilt für alle drei Kundengruppen
Firmenkunden, institutionelle Kunden und vermögende Privatkunden. Mit einer
starken Kernkapitalquote von 12,8% sind wir für alle regulatorischen
Herausforderungen ebenso wie für neues Geschäft hervorragend gewappnet. Wir
rechnen daher wieder mit einem guten Ergebnis für 2011, allerdings sind wir
aufgrund der weltweiten Turbulenzen an den Märkten etwas skeptischer als
noch zu Jahresanfang.
Nachdem der Verkauf der WestLB als Ganzes gescheitert ist, hat HSBC
Trinkaus Interesse an Teilen der WestLB bekundet. Zuvor war ein möglicher
Kauf von Teilen der IKB im Gespräch. Warum sind die Gespräche mit der IKB
gescheitert? Was macht die WestLB interessanter?
Wir haben immer gesagt, dass wir in erster Linie organisch wachsen wollen,
aber Akquisitionen, die zu uns passen, nicht ausschließen. Die IKB oder die
WestLB wurden lange Zeit als Ganzes angeboten, das zuübernehmen, hätte für
uns keinen Sinn gemacht. Der Teil der WestLB, der das Geschäft mit
Firmenkunden und strukturierter Finanzierung umfasst, ist für uns eher
interessant, da er unser eigenes Geschäft im gehobenen Mittelstand ergänzen
kann. Durch unsere Zugehörigkeit zur HSBC, der drittgrößten Bankengruppe
der Welt und der größten Europas, sind wir in diesem Bereich ein Global
Player für deutsche Unternehmen, die wir in alle wichtigen Märkte,
insbesondere in die Emerging Markets, begleiten können. Daher sind wir in
Gesprächen mit der WestLB.
In verschiedenen Interviews haben Sie davor gewarnt, die Banken mit einerüberbordenden Regulierung zu strangulieren. Sind Sie der Ansicht, dass die
in Reaktion auf die Finanzkrise erlassenen neuen Regelungen ausreichend
sind, um eine Wiederholung einer entsprechenden Finanzkrise zu verhindern?
In welchen Bereichen drohtÜberregulierung?
Außer Zweifel steht, dass wir als Konsequenz aus der Krise weltweit eine
bessere Regulierung der Finanzmärkte benötigen. Auf diesem Weg ist seit dem
G-20 Gipfel von Washington im Herbst 2008, also kurz nach dem Zusammenbruch
von Lehman Brothers, eine Menge erreicht worden. Damals gab es keinen
etablierten Mechanismus, wie eine in Schieflage geratene systemrelevante
Bank abzuwickeln sei, ohne damit die Stabilität des Gesamtsystems zu
gefährden. Da sind wir heute einen großen Schritt weiter. Doch keine Krise
ist wie die zuvor. Politik und Aufsicht müssen immer wieder hinterfragen,
ob die Maßnahmen ausreichen. Wir unterstützen die Bemühungen ausdrücklich.
Wichtig ist dabei, Deutschland nicht isoliert zu betrachten – denn wir
stehen im globalen Wettbewerb. Jedes einzelne Regulierungsvorhaben mag für
sich gesehen angebracht sein, doch das Gesamtbild muss stimmen.
Nehmen wir das neue bankaufsichtsrechtliche Rahmenwerk Basel III, welches
im letzten Jahr von den G20 auf den Weg gebracht wurde. Mit Ausnahme
einiger Details, wie zum Beispiel der starren Verschuldungsgrenze für
Banken, halten wir Basel III für wichtig und richtig, denn es liefert einen
wichtigen Beitrag, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen. Damit es
jedoch seine volle Wirkung entfalten kann und keine Arbitragemöglichkeiten
entstehen, ist Grundvoraussetzung, dass die Vorschläge einheitlich
umgesetzt werden. Die Regeln müssen für alle Jurisdiktionen und für alle
Banken und Sparkassen einheitlich gelten. Die europäische Kommission hat
hierfür einen guten Umsetzungsvorschlag gemacht. Jedoch sind die
Regierungschefs gefordert, die einheitliche Umsetzung auch im Rahmen der
G20, also weltweit, sicherzustellen.
Wir sind für eine bessere Regulierung. Dass der Bankensektor vor Ausbruch
der Finanzkrise unterkapitalisiert war, streitet niemand ab. Aber allen
Fragen mit immer neuen Kapitalanforderungen zu begegnen, kann schnell dazu
führen, dass die Thesaurierungsfähigkeit vieler Institute an ihre Grenzen
stößt. Die Häuser müssen in der Lage sein, die neuen Anforderungen auch am
Markt zu verdienen. Gerade, da in Deutschland viele Bankenüber keinen oder
nur sehr eingeschränkten Zugang zum Kapitalmarkt verfügen, um sich zu
refinanzieren. Bei allen Regulierungsvorhaben ist eine saubere
Auswirkungsstudie, gerade im Hinblick auf Wechselwirkungen, unerlässlich.
Die Staatsschuldenkrise in den USA und in Teilen Europas hat sich
dramatisch zugespitzt. Welche Auswirkungen sehen Sie für den Finanzplatz
Deutschland?
Ich glaube, wir sind gerade Zeuge eines Paradigmenwechsels an den
Finanzmärkten. Die Zeiten, in denen staatliche Wertpapiere von
Industrieländern als risikolos erachtet wurden, dürften zu Ende sein.
Daraus werden sicherlich Anpassungsprozesse der institutionellen Investoren
resultieren. Wie diese aussehen werden, ist schwer zu sagen. Aber die
Bedeutung alternativer Anlageprodukte wird sicherlich zunehmen. Und die
Regierungen werden in einem stärkeren Wettbewerb mit anderen Emittenten
stehen. Sie müssen in der Zukunft stärker um Investoren werben, sie wie
jeder –normale– Emittent auch von ihrem Produktüberzeugen. Staaten sind
heute mehr als früher gezwungen, professionelle Investor Relations zu
betreiben. Dazu gehört vor allem, dass die Politik ihren Kreditgebern
besser erklären muss, wie sie die Staatsfinanzen in den Griff bekommen will
und wird. Das gilt aber nicht nur für Griechenland, Irland, Portugal oder
die USA. Das gilt auch für Deutschland. Dies ist durchaus ein positiver
Effekt. Die Finanzmärkte werden nämlich auf diese Weise zur Disziplinierung
des staatlichen Ausgabenverhaltens beitragen. Das, was wir derzeit an den
europäischen Finanzmärkten erleben, dass die Unterschiede in der Bonität
der einzelnen Staaten der Eurozone wieder wahrgenommen, die Risiken also
wieder differenzierter bewertet werden, ist keine Ausnahmesituation, das
sollten wir als die neue Normalität anerkennen.
Die deutsche Bonität wird vom Markt bis dato nicht in Frage gestellt und
Deutschland zahlt historisch niedrige Zinsen. Welche Gefahren sehen Sie für
die deutschen Staatsfinanzen?
Die akuteste Gefahr sehe ich im Moment darin, dass wir die
Staatsschuldenkrise in der Eurozone politisch nicht in den Griff bekommen.
Wir dürfen nicht zur Stabilisierung einzelner Länder weitere und immer
größere Hilfspakete schnüren, die in der Konsequenz die Fähigkeiten der
europäischen Staatengemeinschaft und damit auch Deutschlandsübersteigen
werden. Wir sind drauf und dran, die Regierungen der noch solventen Länder
der Eurozone quasi zum –Lender of last resort– zu machen. Mit einer solchen
Funktion wären sie aberüberfordert und würden ihre eigene
Zahlungsfähigkeit gefährden. Einen –Lender of last resort– für Staaten kann
und darf es nicht geben. Politisch stehen wir damit vor der historischen
Frage, ob wir den europäischen Integrationsprozess, der uns seit mehr als
einem halben Jahrhundert Frieden und Wohlstand beschert, fortführen wollen.
Wenn ja, müssen wir dazu die zu Tage getretenen Konstruktionsfehler der
Währungsunion in Angriff nehmen. Wenn wir in Europa füreinander haften, was
de facto schon der Fall ist, dann brauchen wir zwingend schlagkräftige
europäische Instanzen, die die fiskalische Disziplin aller Mitgliedstaaten
streng im Auge haben. Ausgestattet mit den notwendigen Kompetenzen und
Befugnissen, um auch wirksame Konsequenzen zu ziehen.
Mit ihren aktuellen Ratings der in Schwierigkeiten geratenen europäischen
Mitgliedstaaten haben die Ratingagenturen sich jetzt den Zorn der Politik
zugezogen. In der Finanzkrise hatten sie nicht gerade eine gute Figur
gemacht. Haben die Ratingagenturen Ihrer Meinung nach zu viel Macht? Können
wirüberhaupt auf externe Ratings verzichten?
Die Ratingagenturen haben vor Ausbruch der Krise strukturierte Produkte und
insbesondere Verbriefungen in zu vielen Fällen zu positiv und nicht
risikoadäquat bewertet. Dies wird auch von den Ratingagenturen selbst so
gesehen. Sie haben daraus gelernt. Nun wird ihnen in der
Staatsschuldenkrise zum Vorwurf gemacht, dass sie ihre Aufgabe ernst
nehmen. Von politischer Seite wird nun die Macht der Ratingagenturen
beklagt, aber nicht nur die, sondern die Macht der Finanzmärkte insgesamt.
Die Finanzmärkte zwingen die Politik nämlich nun zum Handeln. Seit
Jahrzehnten wird vonÖkonomen vor der wachsenden Staatsverschuldung
gewarnt, bislang ist, wenn man von der Schuldenbremse in Deutschland
absieht, aber wenig geschehen, um diesen Trend zu stoppen. Nun, da sich an
den Finanzmärkten die Einsicht durchsetzt, dass die Finanzierung weiter
steigender Staatsschulden nicht zu verantworten sei, ist die Not groß.
Ratingagenturen sind da ein willkommener Sündenbock. Wenn nunüber ihre
Macht geklagt wird, sollten diejenigen, die das tun, nicht vergessen, dass
sie diese noch vor wenigen Jahren als Lösung für die
bankaufsichtsrechtliche Bewertung von Kreditrisiken begrüßt haben. Der
zweifelsohne gewachsene Einfluss der Ratingagenturen ist also zum
erheblichen Teil aufsichtsrechtlich begründet. Ob zur Hinterlegung von
Wertpapieren, ob in den Anlagerichtlinien wichtiger Investoren wie
Versicherungen und Pensionsfonds. Will man die Macht der Ratingagenturen
reduzieren, muss man hier ansetzen. Grundsätzlich bieten externe Ratings
eine wichtige Orientierung bei der Bewertung von Risiken, aber man darf in
keinem Fall den Fehler machen, die eigene Risikobewertung an
Ratingagenturen auszulagern. Hier sehe ich aufsichtsrechtlichen
Handlungsbedarf. Ein externes Rating ist eine valide Meinung, aber kein
unfehlbares Urteil und sollte auch nicht wie ein solches behandelt werden.
Würde eine europäische Ratingagentur die Lage verbessern? Was halten Sie
von der aktuell diskutierten Stiftungsidee?
Grundsätzlich ist mehr Wettbewerb in allen Märkten von Vorteil. Dies gilt
auch für den Markt für Ratings. Hier besteht seit vielen Jahrzehnten ein
stabiles Duopol aus Moody–s und S&P. Fitch kann diesen beiden auch nach
etlichen Fusionen noch nicht das Wasser reichen. Man kann dies sicherlich
kritisieren, aber man muss sich selbstverständlich auch die Frage stellen,
warum ist das so? Selbst in den USA, wo die Finanzmärkte wesentlich stärker
auf das System externer Ratings bauen, ist es in vielen Jahrzehnten nicht
gelungen, die Marktposition der beiden großen Agenturen anzugreifen. Eine
Erklärung könnte sein, dass die Marktteilnehmer eine einheitliche, aber
solide Risikobewertung einer Vielzahl von Meinungen vorziehen. Das Faktum
eines stabilen Oligopols wird jeder Investor berücksichtigen müssen, der in
Europa eine neue Ratingagentur gründen möchte. Das von Ihnen erwähnte
Stiftungsmodell, für das ja Roland Berger ein Konzept vorgelegt hat,
beobachte ich mit Interesse. Da für seinen Erfolg aber sehr komplexe
Gesetzesänderungen notwendig sind, lassen sich seine Erfolgsaussichten
derzeit nicht beurteilen.
Herr Schmitz, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat die
Notenbanken aufgefordert, die Leitzinsen zu erhöhen. Sie warnt vor
Inflation und dem Entstehen einer Vermögensblase. Während die EZB einen
ersten Schritt bereits getan hat, hat die amerikanische Notenbank die
Fortsetzung ihrer Nullzinspolitik bis 2013 angekündigt. Wäre es nicht auch
im Angesicht der begünstigt durch die niedrigen Zinsen wachsenden Schulden
der Staaten wünschenswert, das Zinsniveau deutlich anzuheben?
Eine Lehre aus der Finanzmarktkrise muss sein, dass die Notenbanken auch
die Geldmengenentwicklung und Kreditexpansion wieder stärker in den Blick
nehmen. Die Europäische Zentralbank ist in diesem Zusammenhang mit ihrer in
der Vergangenheit vielfach zu Unrecht kritisierten Zwei-Säulen-Strategie –
einem Bündel an Inflationsindikatoren einerseits und der monetären Analyse
andererseits – recht gut aufgestellt. In den USAüberwiegen gegenwärtig die
konjunkturellen Sorgen, weshalb dort eine Leitzinserhöhung mittelfristig
nicht in Angriff genommen werden soll. Letztendlich müssen aber auch
jenseits des Atlantiks die entsprechenden Lehren aus der Finanzmarktkrise
gezogen werden. Dabei geht es auch darum, dass die Geldpolitik künftig
symmetrischer auf konjunkturelle Auf- und Abschwünge reagiert sowie
längerfristig ausgerichtet wird. Außerdem sollte auch eine
funktionstüchtige makroprudenzielle Aufsicht etabliert werden, also eine
Aufsicht für den Finanzsektor, die gesamtwirtschaftliche Risiken für die
Finanzmarktstabilität adressiert und im Rahmen ihrer Möglichkeiten
bekämpft.
Ende der Corporate News
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