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Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz-Interview Dr. Andreas
Dombret
04.03.2011 / 10:00
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Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands, Deutsche Bundesbank
–Euro-Bonds widersprechen dem Prinzip ,Hilfe nur unter Auflagen—-
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Im Mai 2010 ist Andreas Dombret Mitglied des Bundesbankvorstands geworden,
nachdem er vorher viele Jahre in der Privatwirtschaft tätig war. Aktuell
zuständig ist er u.a. für Finanzstabilität und Risiko-Controlling. In einem
Interview mit dem Finanzplatz spricht erüber die europäische
Schuldenkrise, den Korrekturbedarf im Landesbankensektor und welchen
Risiken sich das Finanzsystem noch immer gegenüber sieht.
Interview
Herr Dombret, was hat Sie an dem Wechsel von der Privatwirtschaft zur
Bundesbank gereizt? Wie ist es, wenn man vom Kontrollierten zum Kontrolleur
wird?
Als besonders reizvoll an meiner neuen Aufgabe empfinde ich die
Gestaltungsmöglichkeiten, die ich in der Bundesbank habe. Ich kann mich
aktiv in die nationalen und internationalen Reformdiskussionen einbringen
und so –Spuren– hinterlassen. Es geht mir hierbei letztlich nicht um Fragen
der Kontrolle, sondern um die Erarbeitung und Etablierung richtiger,
effizienter Rahmenwerke und Anreizsysteme.
In dem Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank, den Sie im November 2010
vorgestellt haben, nennen Sie als größtes Risiko für die Finanzstabilität
die europäische Staatsschuldenkrise. Was sollten die europäischen Staaten
Ihrer Meinung nach tun, um die Lage nachhaltig in den Griff zu bekommen?
Viele europäische Länder haben inzwischen eine Konsolidierung deröffentlichen Haushalte eingeleitet. Dieser Prozess muss konsequent und
glaubhaft fortgesetzt werden, um wieder Vertrauen in die langfristige
Tragfähigkeit deröffentlichen Haushalte herzustellen. In Ländern mit
problembehafteten Banksektoren muss jetzt auch die Bereinigung der
Bankbilanzen zügig fortgesetzt werden, um mögliche Wechselwirkungen
zwischen strukturellen Schwächen im Bankensystem und den
Konsolidierungsprozessen einzudämmen.
Als der Euro eingeführt wurde, haben die Kritiker gewarnt, dass ohne eine
gemeinsame Wirtschaftspolitik die Europäische Währungsunion keinen Bestand
haben könne. Während in Deutschland die Wirtschaft auf Hochtouren läuft,
befinden sich andere europäische Staaten noch in der Rezession. Wie kann
eine Währung dieses Auseinanderdriftenüberstehen?
Ungleichgewichtige Entwicklungen innerhalb eines Währungsraums sind kein
neues Phänomen. In einigen Ländern des Euro-Raums wurde der daraus
resultierende Anpassungsbedarf in den Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise
lange Zeit durch ein kräftiges Wirtschaftswachstum und die gestiegene
Integration innerhalb der Währungsunionüberdeckt. Vor allem die Länder, in
denen sich seit dem Eintritt in die Währungsunion die preisliche
Wettbewerbsfähigkeit und die Lage ihreröffentlichen Finanzen
verschlechtert haben, sind nun gefragt: Sie müssen durch Strukturreformen
ihre Wachstumskräfte stärken sowie an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Auch
ist es wichtig, durch Konsolidierungsmaßnahmen finanzpolitisch wieder
handlungsfähig zu werden.
Als der europäische Rettungsschirm letztes Jahr aufgespannt wurde, wurde
betont, dass er zeitlich begrenzt und nur für den Notfall da sei.
Unterdessen wird bereitsüber die Aufstockung des Rettungsschirms und die
Einführung eines dauerhaften Krisenmechanismus diskutiert.Öffnet ein
solcher dauerhafter Mechanismus nicht Tür und Tor für schlechte
Schuldnerstaaten, sich zu Lasten der anderen Eurostaaten zu verschulden?
Wie kann man einer solchen Entwicklung entgegenwirken?
Die Krise hat gezeigt, dass eine Stärkung und Härtung des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes sowie der makroökonomischenÜberwachung notwendig ist, um
Krisen vorzubeugen. Darüber hinaus sollte mittels eines dauerhaften
Krisenmechanismus aber auch für Ausnahmesituationen vorgesorgt werden. Es
kommt nun entscheidend darauf an, dass der permanente Europäische
Stabilitätsmechanismus, der Mitte 2013 die bestehenden Mechanismen ablöst,
die richtigen Anreize für Mitgliedstaaten und Finanzmärkte setzt.
Diesbezüglich haben die Staats- und Regierungschefs eine grundsätzliche
Einigung erzielt, die aus meiner Sicht zu begrüßen ist und die in die
richtige Richtung weist: Der Mechanismus wird nur aktiviert, wenn dies
notwendig ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu
bewahren. Jegliche Hilfe – wie derzeit die an Griechenland und Irland –
wird an strenge Auflagen geknüpft. Damit besteht gerade kein Anreiz für
Länder mit unsolider Haushaltspolitik, sich zu Lasten derübrigen
Mitgliedstaaten zu verschulden. Den Interessen der Steuerzahler der
hilfeleistenden Länder kann zudem mit dem vereinbarten Vorrang der
Hilfskredite und strikten Konditionenähnlich derjenigen im bestehenden
EFSF-Rettungsfonds Rechnung getragen werden.
Im Finanzstabilitätsbericht fordern Sie, die privaten Gläubiger der Staaten
nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Dieöffentliche Forderung der
Einbeziehung der privaten Gläubiger führt aber immer wieder zu Turbulenzen
an den Finanzmärkten. Halten Sie die Einführung eines Insolvenzrechts für
Staatenüberhaupt für realistisch? Welche Auswirkungen hätte die
Einbeziehung der privaten Gläubiger auf die zukünftige Zinshöhe von
Staatsanleihen?
Auch für Investoren in Staatsanleihen muss gelten, dass Chance und Risiko
zwei Seiten der gleichen Medaille sind und dass sich diese Abwägung in den
Anleihekursen widerspiegelt. Diese einfache Erkenntnis darf der Europäische
Stabilitätsmechanismus nicht aushebeln. Gerade deshalb soll erüber die
Krisenbewältigung hinaus ex ante Anreize für eine solide Finanzpolitik
setzen und das – von den Regierungschefs der EU ausdrücklich bestätigte –
Prinzip des Haftungsausschlusses respektieren. Rückblickend muss jedenfalls
festgehalten werden, dass die Zinsaufschläge des vergangenen Jahrzehnts
eher gering waren.
Was halten Sie von der Idee, Euroanleihen für alle Euroländer gemeinsam zu
begeben? Was wäre der Unterschied zu den bereits heute ausgegebenen
Anleihen des Euro-Rettungsfonds?
Die Idee, Euroanleihen für alle Euroländer gemeinsam zu begeben, sehe ich
sehr kritisch. Mit solchen Euro-Bonds würde nämlich eine
Gemeinschaftshaftung eingeführt und auf diese Weise die Eigenverantwortung
einzelner Länder des Euro-Raums ausgehebelt. Im Unterschied zu den von der
Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität ausgereichten Krediten wäre die
Mittelaufnahmeüber Euro-Bonds nicht an die Erfüllung strikter Auflagen
geknüpft. Die Einführung von Euro-Bonds widerspräche somit fundamental dem
Prinzip –Hilfe nur unter Auflagen–. Dieses würde das Vertrauen in dieöffentlichen Finanzen gerade nicht stärken, das Gegenteil wäre der Fall.
Anfang 2011 hat das European Systemic Risk Board seine Arbeit aufgenommen.
In welcher Form wird die Bundesbank die Arbeit des ESRB unterstützen? Was
sind die wichtigsten Aufgaben in diesem Bereich für 2011?
Der Bundesbankpräsident ist stimmberechtigtes Mitglied im Verwaltungsrat
des ESRB, der z.B. Risikowarnungen herausgibt und Empfehlungen für
Abhilfemaßnahmen zu den erkannten Risiken erteilt. In meiner Funktion als
Dezernent für Finanzstabilität werde ich unseren Präsidenten zu den
ESRB-Sitzungen begleiten. Die Bundesbank ist darüber hinaus auch im
Beratenden Fachausschuss vertreten. Mit dem ESRB kommen zusätzliche
Aufgaben auf die Bundesbank zu. Die wichtigste ist, einen Beitrag zur
Wahrung der EU-Finanzstabilität zu leisten. Hier kommt uns zugute, dass die
Bundesbank im Bereich der Finanzstabilitätsanalyse bereitsüber Expertise
verfügt.
Was ist in der Vergangenheit schief gelaufen bei der
Einzelinstitutsaufsicht? Was läuft heute besser?
Eine Lehre aus der Finanzkrise war, dass es zur Gewährleistung der
Finanzstabilität unabdingbar ist, die Einzelinstitutsüberwachung durch eine
Aufsicht mit einem systemischen Blickwinkel zu ergänzen. Dies ist auf
EU-Ebene mit Errichtung des ESRB geschehen. In Deutschland hat man bereits
eine engere Verzahnung von mikro- und makroprudenzieller Aufsicht
umgesetzt: Im Risikokomitee treffen sich regelmäßig Vertreter von
Bundesbank und BaFin aus den Bereichen Bankenaufsicht und Finanzstabilität,
um systemische Risiken in Deutschland zu analysieren und Erkenntnisse in
den einzelaufsichtsrechtlichen Prozess einzuspeisen. Die führende Rolle der
Bundesbank bei der makroprudenziellen Aufsicht hat imÜbrigen die
Regierungskoalition auch in ihrem kürzlich vorgelegten 10-Punkte-Plan zur
Reform der deutschen Finanzaufsicht bestätigt. Konsequent wäre es meines
Erachtens nun, das makroprudenzielle Mandat der Bundesbank im
Kreditwesengesetz zu verankern.
Haben die deutschen Banken ihre Risiken unterdessen in ausreichendem Umfang
abgebaut, um den nächsten wirtschaftlichen Abschwungüberstehen zu können?
Die Frage kann so allgemein nicht beantwortet werden. Sicherlich ist ein
Großteil der seit Ausbruch der Finanzkrise im Bereich des
Kreditersatzgeschäfts schlagend gewordenen Risiken mittlerweile
verarbeitet. Allerdings sind deutsche Banken z.B. bei der Ausleihung an
Staaten mit einer veränderten Risikolage konfrontiert. Wichtig ist, dass
Banken einerseits die richtigen internen Systeme besitzen, um eingegangene
Risiken auch effizient zu kontrollieren und andererseits genügend
Eigenkapital zu unterlegen, um mögliche Verluste aufzufangen.
Sie haben gefordert,Überkapazitäten im Bankensektor abzubauen und
zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Sehen Sie die deutschen
Banken bei diesen Fragen auf dem richtigen Weg? Was muss die Politik in
diesem Bereich leisten?
Der Konsolidierungsprozess im deutschen Bankensektor ist bereits seit
längerem im Gange. So hat sich bei uns z.B. seit 1990 die Gesamtzahl der
Kreditinstitute mehr als halbiert. Konsolidierungen finden bis jetzt
allerdings vor allem innerhalb der drei Bankensäulen statt; insofern gibt
es noch Sektoren, in denenÜberkapazitäten vorhanden sind. Korrekturbedarf
sehe ich insbesondere im Landesbankensektor. Hier war zwar zuletzt
insgesamt ein Rückgang der risikogewichteten Aktiva zu beobachten. Dies
muss aber im Kontext des EU-Beihilfeverfahrens gesehen werden, da
Beihilfegenehmigungen an Auflagen wie den Abbau nichtstrategischer
Einheiten geknüpft wurden. Die Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle
hat jetzt Vorrang. Aus Sicht der Finanzstabilität sollte sich ein solches
Geschäftsmodell einerseits an der Verbundzusammenarbeit orientieren, also
eine sinnvolle Ergänzung zum Leistungsspektrum der Sparkassen sein.
Andererseits muss ein solches Geschäftsmodell aber auch gewährleisten, dass
in schwierigen Jahren das Eigenkapital nicht substanziell angegriffen und
in guten Jahren eine angemessene Rendite erwirtschaftet wird.
Herr Dombret, in Interviews haben Sie darauf hingewiesen, dass es in Bezug
auf die Finanzkrise noch keine Entwarnung geben könne. Im Gegensatz dazu
hat eine Studie von Ernst&Young ergeben, dass die Bankmanager für 2011
optimistisch gestimmt seien und nur jeder Vierte glaube, dass sich die
Schuldenkrise negativ auf seine Bank auswirken werde. Wer hat denn nun
recht?
In den unterschiedlichen Wahrnehmungen sehe ich grundsätzlich keinen
Widerspruch. Ganz im Gegenteil! Dies veranschaulicht doch, wie wichtig eine
systemorientierte Sichtweise ist. Die Mehrzahl der Institute mag durchaus
wieder positiv in die Zukunft blicken. Es stecken aber nach wie vor Risiken
im Finanzsystem, die spätestensüber Zweitrundeneffekte für einige deutsche
Banken erhebliche Auswirkungen haben können. Es zählt zu unseren Aufgaben,
eine umfassende Risikoanalyse vorzunehmen und gegebenenfalls vor
systemischen Risiken zu warnen. Beispielsweise weisen wir auf mögliche
Gefahren hin, die von der Auslagerung von Aktivitäten in das
Schattenbankensystem ausgehen.
Ende der Corporate News
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