Zur aktuellen Stunde zu „Konsequenzen aus
Steuerskandalen wie den „Paradise Papers“ – Position der Koalition
zum Umgang mit Steuervermeidungsstrategien und Steuerehrlichkeit“
erklärt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner:
1. Warum braucht es diese Aktuelle Stunde?
Offshore-Leaks, Luxemburg-Leaks, Swiss-Leaks und Panama Papers –
die Liste an Steuervermeidungsskandalen war bereits vor den Paradise
Papers lang und erschütternd. Jeder dieser Skandale steht für eine
ungeheure Masse an einzelnen Fällen von Steuervermeidung und
-hinterziehung. Unzählige Fälle, in denen sich Reiche und Superreiche
mit Methoden ihrer Steuerpflicht entzogen haben, die teils illegal,
teils hart an der Grenze dazu waren. Eins aber haben alle diese
Methoden gemeinsam: Sie sind zutiefst unmoralisch. Jeder dieser
Skandale ist ein Schlag ins Gesicht von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern. Derjenigen, die tagtäglich hart arbeiten. Und die am
Ende des Monats auf der Gehaltsabrechnung sehen, welche Summe direkt
abgeführt wurde. Sie können keine hochbezahlten Anwälte
beschäftigen, die ihre Einkünfte durch einen Dschungel von
Briefkastenfirmen und Finanz-Konstrukten lenken, um Steuern zu
sparen. Steuern sind keine mildtätigen Gaben, deren Entrichtung von
der eigenen Tagesform abhängig ist. Sie sind elementar notwendig für
unser Gemeinwesen. Und jeder versteckte und hinterzogene Euro fehlt
uns auch hier in Schleswig-Holstein bei der Sanierung von Schulen,
fehlt bei der Erneuerung von Straßen, fehlt bei der Unterstützung von
Familien, beim Mittagessen in der Kita. Lassen Sie es mich in aller
Deutlichkeit sagen: Millionenschwere Steuerhinterziehung ist
Schwerstkriminalität.
2. Was muss jetzt passieren?
Ein Anfang im Kampf gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung wäre
z.B. die Quellensteuer, mit der Transaktionen ins Ausland zumindest
vorläufig besteuert werden, bis klar ist, wo das Geld genau hin
fließt. Erforderlich ist auch, Banken, die systematisch Beihilfe zur
Steuerhinterziehung leisten, kräftig auf die Finger zu hauen. Wir
sehen sehr genau, welche Ergebnisse in der Schweiz möglich waren,
nachdem die USA den Druck auf Bankgeheimnis und Banklizenzen erhöht
haben. Und wir wissen auch, wie viele Steuerhinterzieher über Nacht
zu reuigen Sündern wurden, nachdem die deutschen Behörden in den
Besitz von Steuer-CDs kamen. Den konsequenten Einsatz von
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat schwarz-gelb stets
bekämpft. In vielen Fällen würde es schon reichen, wenn die Gesetze,
die wir bereits haben, auch eingehalten und überwacht würden. Dafür
aber brauchen wir eine personell gut aufgestellte Steuerverwaltung.
Es wird nicht ausreichen – wie im Koalitionsvertrag beschrieben –
einige größere Unternehmen in die Steuerverwaltung des Bundes zu
überführen. Wir müssen als Land auch selbst personell aufrüsten. Dazu
aber steht im Koalitionsvertrag der Landesregierung leider nichts.
Ich bin sehr gespannt auf die Pläne der zukünftigen Bundesregierung,
nachdem in den vergangenen Jahren der Großen Koalition alle Versuche
der SPD, endlich energischer gegen Steuervermeidung vorzugehen,
systematisch von der CDU hintertrieben wurden. Zur Wahrheit gehört:
Mehr als Lippenbekenntnisse gab es von Konservativen und Liberalen
bei diesem Thema bislang nicht. Und meine Zweifel am Erfolg der
Schwarzen Ampel auf diesem Gebiet werden nicht grade kleiner, wenn
als Besetzung für das Bundesfinanzministerium nun ernsthaft der
Kollege Kubicki ins Spiel gebracht wird. Es ist doch absurd
anzunehmen, sich eine nur einfach gezahlte Kapitalertragssteuer beim
Aktienhandel gleich mehrfach erstatten lassen und das für legal oder
gar legitim zu halten. Ihr ehemaliger Kieler Kommilitone und
SPD-Finanzminister, den Sie hier ja so gerne zitieren, hat doch
absolut Recht, wenn er Ihre Karriereambitionen vor dem Hintergrund
Ihrer Äußerungen zu den schäbigen Cum-Ex-Geschäften als „Realsatire“
bezeichnet. Die zukünftige Bundesregierung müsste tun, was Schäuble
und Merkel in der Vergangenheit komplett vernachlässigt haben: Ihren
Einfluss auf europäischer und internationaler Ebene geltend machen
und gemeinschaftlich Steueroasen (Gerechtigkeitswüsten) trocken
legen.
Und Stichwort Europa: Auch im europäischen Parlament waren es
zuverlässig Konservative und Liberale, die immer gegen mehr
Steuergerechtigkeit stimmten. Notwendig sind zügige und spürbare
Sanktionen der Staatengemeinschaft gegen unkooperative Staaten und
eine enge internationale Vernetzung von nationalen Firmenregistern.
Falsche Rücksichtnahme gegen europäische Steueroasen darf es nicht
geben. Die Auswüchse des globalisierten Finanzkapitalismus können
nicht mit den Mitteln des Nationalstaates alleine gebändigt werden.
Aber umso wichtiger ist es, national zumindest alles das auf den Weg
zu bringen, was möglich ist.
3. Anzeigepflicht ist richtig
Mich freut, dass Monika Heinold das Ziel einer Anzeigepflicht für
Steuertricks auch nach unserer gemeinsamen Zeit in der
Küsten-koalition weiter verfolgt und auf Bundesebene eine
Arbeitsgruppe einrichten will. Wie Finanzstaatssekretär Nimmermann es
formuliert: „Es geht um Fair play.“ Und weiter: „Die Anzeigepflicht
führt dazu, dass diejenigen, die besonders kreative und modellhafte
Steuergestaltung vermarkten, dies anzeigen müssen, damit der
Gesetzgeber in die Lage versetzt wird, darauf zu reagieren, falls er
dies für falsch hält.“ Liebe Monika Heinold, die Botschaft hör´ ich
wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich will zitieren, was der Kollege
Kubicki vor nicht einmal einem Jahr zu diesen Plänen schrieb: „Was
ist das für ein Staatsverständnis, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
oder Anwälte, deren gesetzliche Verpflichtung darin besteht, ihre
Mandanten steueroptimal zu beraten, zu Handlangern des Fiskus zu
machen?“ Donnerwetter. Da frage ich mich schon, was seitdem passiert
ist. Denn entweder, lieber Herr Kollege Kubicki, haben Sie Ihre
Meinung fundamental geändert. Oder aber – und ich befürchte, das
trifft eher zu – Sie vertreten nach wie vor Ihre Meinung von vor
einem Jahr.
4. Koalition muss SH klar sagen, wo sie steht
Und wenn das so ist, Frau Heinold, dann hätten Sie den Menschen in
Schleswig-Holstein wissentlich Sand in die Augen gestreut, als Sie in
der vergangenen Woche mit Verweis auf den Vorstoß zur Anzeigepflicht
vollmundige Bekenntnisse für Steuergerechtigkeit abgegeben haben.
Denn Frau Heinold: Was wollen Sie in Ihrer Arbeitsgruppe erreichen,
wenn zu Hause der Fraktionsvorsitzende Ihrer einen Koalitionspartei
erkennbar wenig von Ihren Plänen hält? Und wenn der
Ex-Ministerpräsident der anderen Koalitionspartei gleich selbst in
den Paradise Papers auftaucht? Verstehen Sie mich nicht falsch: Es
war der abrupte Wechsel eines sozialdemokratischen Ministers in einen
gut dotierten Wirtschaftsjob, der uns dazu veranlasst hat, neue
Karenzregeln einzuführen. Ich sage das also durchaus mit Selbstkritik
– und auch meine Sympathie für GazProm ist begrenzt.
Zurück zu den bemerkenswerten Ruhestandsbeschäftigungen des
ehemaligen Ministerpräsidenten: Dass der landwirtschaftliche
Sachverstand eines Botschafters des deutschen Bieres aus der
bekannten nordfriesischen Weinbauregion in georgischen Weingütern
benötigt wird, ist natürlich naheliegend. Aber es ist schon spannend
zu fragen, an wen genau gingen denn die Steuermillionen für das
private Kunstmuseum in Alkersum? Ganz zu schweigen davon, dass wir
hier beim Chef der Briefkastenfirma über den mit Abstand größten
bekannten Parteispender der CDU Schleswig-Holstein reden, über dessen
interessantes Finanzgeflecht man hier sicherlich noch sehr viel
länger sprechen könnte. Der seinerzeit amtierende
Landesgeschäftsführer der Union ist übrigens inzwischen
Ministerpräsident und der Schatzmeister der parlamentarische
Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Liebe Monika Heinold: Haben Sie in
der Koalition über Ihren Vorstoß zur Anzeigepflicht gesprochen, der
immerhin Ihre öffentlichkeitswirksame Antwort auf die Paradise Papers
war? Und wenn ja, welche Position hatte dann die FDP?
Wir erwarten heute ein klares Bekenntnis der regierungstragenden
Fraktionen: Stehen Sie gemeinsam hinter dem Vorstoß Ihrer
Finanzministerin für die Anzeigepflicht? Denn wenn Sie sich noch
nicht einmal auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können –
was können die Menschen dann von Ihnen bei der Bekämpfung von
Steuervermeidung und Steuerhinterziehung überhaupt erwarten? Eine
Koalition der Steuerehrlichkeit, liebe Grüne, das war die
Küstenkoalition. Ihre neuen Partner stehen – was die Fakten betrifft
– in dieser Frage auf der anderen Seite.
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Pressesprecher: Heimo Zwischenberger (h.zwischenberger@spd.ltsh.de)
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