Die internationale Gemeinschaft muss ein neues
Unterstützungsprogramm für syrische Flüchtlinge in der Region
beschließen, fordern sieben Hilfsorganisationen im Bericht „Right To
A Future“. Da weder ein Ende des Konflikts noch eine baldige Rückkehr
der Flüchtlinge nach Syrien abzusehen sind, fordern die
Hilfsorganisationen umfangreiche Investitionen in die syrischen
Nachbarländer, die einen Großteil der rund vier Millionen Flüchtlinge
aufgenommen haben. Kernstück eines solchen „New Deal“ wäre, den
Flüchtlingen in den Aufnahmeländern legalen Zugang zu Arbeit zu
ermöglichen und ihr Recht auf Asyl zu stärken.
„Viele Flüchtlinge leben derzeit in einem rechtsfreien Raum und
müssen unter dauernden Einschränkungen und in Angst vor Festnahmen,
Inhaftierung und Abschiebung leiden“, sagt Jan Egeland,
Generalsekretär des Norwegian Refugee Council. „Die Lebensbedingungen
haben sich erheblich verschlechtert. Das zwingt viele Flüchtlinge zu
extremen Maßnahmen, immer mehr setzen ihr Leben während der Überfahrt
nach Europa aufs Spiel. Wir müssen dafür sorgen, dass die Flüchtlinge
in den Aufnahmeländern würdevoll leben können und dort für ihren
eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Das hätte auch positive
Effekte auf die Wirtschaft der Aufnahmeländer.“
„Eine gesamte Generation steht auf dem Spiel – und zwar die
Generation, die Syrien wieder aufbauen soll, sobald der Konflikt
endlich vorbei ist. Wenn Eltern nicht für den Lebensunterhalt
aufkommen können, müssen Kinder immer häufiger arbeiten.
Hunderttausenden Kindern fehlen Jahre an Schulbildung, denn auch die
Schulen der Aufnahmeländer sind vollkommen überlastet und brauchen
viel mehr Unterstützung“, betont Misty Buswell, Regionaldirektorin
Mittlerer Osten von Save the Children.
Außerstande, für die eigene Miete oder Lebensmittel aufzukommen,
sind Flüchtlinge dauerhaft auf finanzielle Hilfe anderer angewiesen
und geraten so in einen Teufelskreis. Ohne legalen Status haben viele
Flüchtlinge keinen Zugang zu medizinischer Versorgung,
Bildungsangeboten und anderen sozialen Grunddiensten.
„Seit mehr als vier Jahren leben syrische Flüchtlinge von der Hand
in den Mund, sind von humanitärer Hilfe abhängig und wissen nie, ob
sie morgen noch genug zu essen haben. Wir haben mit vielen gut
ausgebildeten Tischlern, Bauern und Lehrern gesprochen, die darum
kämpfen, ein Dach über dem Kopf zu haben und die Miete aufbringen zu
können. Ihre berufliche Erfahrung sollte genutzt werden, damit sie
ihre Familien versorgen und auch die Wirtschaft des Aufnahmelands
unterstützen können. Auch Millionen Jordanier, Libanesen, Türken und
Iraker, die ebenfalls zunehmend unter der Krise leiden, könnten auf
diese Weise profitieren“, sagt Robert Lindner, Nahost-Experte von
Oxfam Deutschland.
Angesichts des enormen Ausmaßes der Krise benötigen außerdem viele
der am stärksten schutzbedürftigen Flüchtlinge Asyl außerhalb der
Region. Die reichen Länder sollten mindestens 10 Prozent von ihnen
eine sichere Umsiedlung ermöglichen. Bisher haben sie nur 3 Prozent
akzeptiert und die Wartezeit ist viel zu lang.
„Neben der Forcierung der Friedensverhandlungen muss den Menschen
in den Nachbarländern eine echte Überlebensperspektive geschaffen
werden. Hierfür sind nicht nur feste Unterkünfte von Nöten, sondern
letztlich müssen die Flüchtlinge selbst für ihren eigenen
Lebensunterhalt sorgen können. Die Jugendlichen brauchen eine
Berufsausbildung und danach Zugang zum Arbeitsmarkt. Durch die
Kürzung der Nahrungsmittelgutscheine in den letzten Monaten sind
inzwischen die Ersparnisse der Flüchtlinge weitgehend aufgebraucht.
Wenn sie nicht ihr Leben während der Überfahrt nach Europa auf–s
Spiel setzen sollen, brauchen die Menschen nun Arbeitsmöglichkeiten
vor Ort. Nur so kann ihnen ein würdevolles Leben in den
Aufnahmeländern ermöglicht werden“, fordert Ekkehard Forberg,
Themenmanager Friedensförderung bei World Vision Deutschland.
Hintergrundinformationen:
Der Libanon hat mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen,
darunter fast 500.000 Kinder im schulpflichtigen Alter. Die
Flüchtlinge machen inzwischen 30 Prozent der Bevölkerung aus. Seit
Januar 2015 hat das Land seine Grenzen geschlossen. Diejenigen, die
eine legale Aufenthaltsgenehmigung erhalten möchten, müssen
unterzeichnen, dass sie nicht arbeiten werden oder ein libanesischer
Staatsbürger sie finanziell absichert. Hunderttausende stehen nun vor
der Wahl nicht zu arbeiten oder ohne legales Aufenthaltsrecht zu
leben.
In Jordanien leben mehr als 630.000 Flüchtlinge. 85 Prozent davon
leben außerhalb von Flüchtlingscamps in Städten und Gemeinden unter
der Armutsgrenze. Fast die Hälfte von ihnen haben Probleme,
registriert zu werden – dadurch steigt die Gefahr, dass sie keinen
Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen oder humanitärer Hilfe haben.
99 Prozent der Flüchtlinge, die es schaffen Arbeit zu finden, müssen
dies in der Regel im informellen Sektor zu extrem niedrigen Löhnen
tun.
In der Türkei leben zwei Millionen syrische Flüchtlinge – einige
Städte haben sich dadurch verdoppelt. Mehr als 600.000 syrische
Flüchtlinge sind immer noch unregistriert und können keine
öffentlichen Dienste nutzen. Die meisten können keiner legalen Arbeit
nachgehen und landen im informellen Sektor unter ausbeuterischen
Bedingungen.
Im kurdischen Teil des Iraks erhalten Flüchtlinge
Aufenthaltsgenehmigungen, die es ihnen erlauben, zu arbeiten.
Flüchtlinge außerhalb der Camps bekommen nur sehr schwer diese
Genehmigung. Flüchtlinge in Camps in anderen Teilen des Irak dürfen
nicht arbeiten.
In Ägypten leben etwa 130.000 registrierte syrische Flüchtlinge,
die Regierung schätzt die Dunkelziffer auf mehr als doppelt so hoch.
Nur ein kleiner Teil hat aufgrund der langwierigen und teuren
Prozedur sowie von Beschränkungen für nicht-ägyptische Bürger/innen
eine Arbeitserlaubnis.
Zusatzmaterial:
Der Report liegt hier zum Download bereit: http://bit.ly/1QoxOBz
Pressekontakt:
Save the Children Deutschland e.V.
Pressestelle – Claudia Kepp
Tel.: +49 (30) 27 59 59 79 – 28
Mail: Claudia.kepp@savethechildren.de
Oxfam Deutschland e.V.
Leiter Pressestelle und Webteam – Steffen Küssner
Tel.: +49 (30) 45 30 69 710
Mail: skuessner@oxfam.de
CARE Deutschland-Luxemburg e.V.
Pressesprecherin / Director Media – Sabine Wilke
Tel.: +49 (0) 228 975 63 -46
Mail: wilke@care.de